Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ender 4: Enders Kinder

Ender 4: Enders Kinder

Titel: Ender 4: Enders Kinder
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
ihnen Gestalt und Form gibt.«
    »Der Lehm kann zu einem Bären werden«, sagte sie, »aber nicht, solange er kalt und feucht am Flußufer ruht.«
    »Genau. Dann waren da also Ender Wiggin und mehrere andere Personen, die du mit etwas Glück nie wirst kennenlernen müssen, die die erste Reise ins Außen unternahmen. Eigentlich reisten sie nirgendwo hin. Das Ziel dieser ersten Reise war es, sich lange genug ins Außen zu begeben, damit eine von ihnen, eine sehr begabte Genetikerin, ein neues, extrem komplexes Molekül erschaffen konnte, und zwar anhand der Vorstellung von ihm, die sie in ihrem Bewußtsein festhielt. Oder vielmehr anhand ihres Bildes der Veränderungen, die sie an einem bereits existierenden vornehmen mußte … aber dafür verstehst du zu wenig von Biologie. Jedenfalls tat sie, was man von ihr erwartete, sie erschuf das neue Molekül. ›O blumer Tag, o schlusse Fron!‹ Nur, daß sie nicht der einzige war, der sich an diesem Tag als Schöpfer betätigte.«
    »Enders Geist erschuf Sie?« fragte Wang-mu.
    »Nicht absichtlich. Ich war, sagen wir mal, ein bedauerlicher Unfall. Ein unglücklicher Nebeneffekt. Sagen wir einfach, daß jeder, daß alles dort draußen wie verrückt schöpferisch tätig wurde. Die Aiúas im Außen sind rasend begierig danach, zu etwas gemacht zu werden, verstehst du? Überall rings um uns herum wurden Schatten-Sternenschiffe erschaffen. Alle Arten von schwachen, vergänglichen, fragmentarischen, zerbrechlichen, ephemeren Gebilden, die mit jedem Augenblick entstanden und wieder vergingen. Nur vier davon hatten Beständigkeit. Eines war das genetische Molekül, das Elanora Ribeira erschaffen hatte.«
    »Eines waren Sie?«
    »Das am wenigsten interessante, befürchte ich. Das am wenigsten geliebte und geschätzte. Einer der Menschen auf dem Schiff war ein Bursche namens Miro, der vor ein paar Jahren durch einen tragischen Unfall verkrüppelt worden war. Neurologisch geschädigt. Mit undeutlicher Sprache, ungeschickt mit den Händen, lahm beim Gehen. Er hielt in seinem Geist die machtvolle Vorstellung von sich selbst fest, so wie er einmal gewesen war. Angesichts dieses perfekten Selbstbildes setzte sich eine riesige Anzahl von Aiúas zu einer exakten Kopie zusammen. Nicht davon, wie er jetzt war, sondern, wie er früher einmal gewesen war und gerne wieder sein wollte. Komplett mit all seinen Erinnerungen – eine perfekte Kopie seiner selbst. So perfekt, daß sie die gleiche tiefe Verachtung seinem verkrüppelten Körper gegenüber empfand wie er selbst. Und darum … stand der neue, verbesserte Miro – oder vielmehr die Kopie des alten, unversehrten Miro – was auch immer – wie die absolute Negierung des verkrüppelten da. Und vor ihren Augen zerfiel dieser alte, abgelehnte Körper zu nichts.«
    Bei dieser Vorstellung keuchte Wang-mu auf. »Er starb?«
    »Nein, das ist doch der springende Punkt, begreifst du das denn nicht? Er lebte weiter. Er war Miro. Sein eigenes Aiúa – nicht die Billiarden von Aiúas, aus denen sich die Atome und Moleküle seines Körpers zusammensetzten, sondern das eine, das sie alle kontrollierte, das eine, das er selbst war, sein Wille – sein Aiúa ging einfach auf diesen neuen, perfekten Körper über. Das war sein wirkliches Selbst. Und das alte …«
    »Wurde nicht mehr gebraucht.«
    »Hatte nichts mehr, was ihm Gestalt hätte verleihen können. Verstehst du? Ich denke, unsere Körper werden von Liebe zusammengehalten. Der Liebe des Meister-Aiúa für den glorreichen, machtvollen Körper, der ihm gehorcht, der dem Ich all seine Welterfahrung vermittelt. Sogar Miro, mit all seinem Abscheu vor sich selbst, während er verkrüppelt war, sogar er muß diesen mitleiderregenden Überrest, der ihm geblieben war, geliebt haben. Bis zu dem Augenblick, als er einen neuen hatte.«
    »Und dann zog er um.«
    »Ohne auch nur zu wissen, daß er es getan hatte«, sagte Peter. »Er folgte seiner Liebe.«
    Wang-mu hörte diese phantastische Geschichte und wußte, daß sie wahr sein mußte, denn sie hatte viele Erwähnungen von Aiúas in den Gesprächen zwischen Han Fei-tzu und Jane belauscht, und nun, angesichts von Peter Wiggins Geschichte, ergaben sie einen Sinn. Sie mußte wahr sein, und sei es nur, weil dieses Sternenschiff tatsächlich wie aus dem Nichts am Flußufer hinter Han Fei-tzus Haus aufgetaucht war.
    »Aber jetzt mußt du dich fragen«, sagte Peter, »wie ich, so ungeliebt und unliebenswert, wie ich es eingestandenermaßen bin, zu existieren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher