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Ender 4: Enders Kinder

Ender 4: Enders Kinder

Titel: Ender 4: Enders Kinder
Autoren: Orson Scott Card
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über diese Idee, zu denen die folgende Passage gehörte:
     
    Mittelpunktvölker haben keine Angst davor, ihre Identität zu verlieren. Sie halten es für selbstverständlich, daß alle anderen Völker so sein wollen wie sie, daß sie die höchste Zivilisation sind und alle anderen nur plumpe Imitationen oder vergängliche Irrtümer. Seltsamerweise führt diese Arroganz zu einer schlichten Bescheidenheit – sie treten nicht großspurig auf oder protzen herum oder spielen sich auf, weil für sie gar keine Notwendigkeit besteht, ihre Überlegenheit zu beweisen. Sie verändern sich nur nach und nach, und nur, indem sie so tun, als würden sie sich in Wirklichkeit keineswegs verändern.
    Randvölker hingegen wissen, daß sie nicht die höchste Zivilisation darstellen. Manchmal fallen sie irgendwo ein und stehlen und bleiben da, um zu herrschen – Wikinger, Mongolen, Türken, Araber – und manchmal machen sie radikale Veränderungen durch, um konkurrieren zu können – Griechen, Römer, Japaner – und manchmal bleiben sie ganz einfach von Scham erfüllte Provinzler. Aber wenn sie ihren Aufstieg beginnen, dann sind sie unerträglich, weil sie sich ihres Wertes nicht sicher sind und deshalb prahlen und protzen und sich immer wieder beweisen müssen – bis sie endlich das Gefühl haben, selbst ein Mittelpunktvolk zu sein. Unglücklicherweise zerstört gerade diese Selbstzufriedenheit sie, weil sie eben kein Mittelpunktvolk sind und das Gefühl, eines zu sein, sie noch nicht zu einem solchen macht. Siegreiche Randvölker haben nicht, wie Ägypten oder China, lange Bestand; sie verblassen, so wie es die Araber und die Türken und die Wikinger und die Mongolen nach ihren Siegen getan haben.
    Die Japaner haben sich selbst zu einem permanenten Randvolk gemacht.
     
    Ich stellte auch Theorien über Amerika auf, das sich aus Flüchtlingen vom Rand zusammensetzt, sich aber trotzdem wie eine Mittelpunktnation verhielt, als es (übrigens äußerst brutal) sein Hinterland unter Kontrolle brachte, aber nur mit dem Gedanken an ein Imperium spielte und statt dessen zufrieden damit war, der Mittelpunkt der Welt zu sein. Zumindest eine Zeitlang hatte Amerika die gleiche Ignoranz besessen wie die Chinesen – die Annahme, daß der Rest der Welt so sein wolle wie wir. Und ich fragte mich, ob hier, wie beim Islam, eine machtvolle Idee eine Randnation zu einer Mittelpunktnation gemacht hatte. Genau wie die Araber selbst die Kontrolle über den neuen islamischen Mittelpunkt, der von den Türken beherrscht wurde, verloren hatten, mag auch die ursprünglich englische Kultur Amerikas verweichlichen oder sich verändern, obwohl Amerika als mächtige Nation im Mittelpunkt verbleibt; das ist ein Gedanke, mit dem ich immer noch spiele und dessen Wahrheit ich nicht zu beurteilen vermag, da sich so vieles davon erst in Zukunft herausstellen wird und sich jetzt nur Vermutungen darüber anstellen lassen. Aber was bleibt, ist die faszinierende Vorstellung von Rand- und Mittelpunktnationen, eine Vorstellung, an die ich, wie ich feststelle, in dem Maße glaube, wie ich sie verstehe.
    Nachdem ich meine Notizen niedergeschrieben hatte, begann ich in der nächsten Nacht, das Kapitel zu schreiben. Ich hatte Wang-mu und Peter bis zum Abschluß ihrer Mahlzeit im Restaurant gebracht und war nun so weit, sie zum ersten Mal mit einer japanischen Figur zusammentreffen zu lassen. Aber es war vier Uhr morgens. Meine Frau Kristine, die wach war, um unser einjähriges Töchterchen Zina zu versorgen, nahm mir das unvollendete Kapitel aus der Hand und las es. Während ich mich fertig machte, schlafen zu gehen, nickte auch sie ein, aber dann erwachte sie und erzählte mir von einem Traum, den sie während dieses kurzen Nickerchens gehabt hatte. Sie hatte geträumt, daß die Japaner von Götterwind die Asche ihrer Ahnen in winzigen Medaillons oder Amuletten aufbewahrten, die sie um den Hals trugen; und Peter fühlte sich hilflos, weil er nur einen einzigen Ahnherren besaß und er sterben würde, wenn dieser Ahnherr starb. Ich wußte sofort, daß ich diese Idee verwenden mußte; dann legte ich mich ins Bett, nahm Oes Buch wieder zur Hand und begann zu lesen.
    Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als nach jenem ersten Abschnitt, der von Oes Empfindungen gegenüber Skandinavien handelte, er sich in eine Analyse der japanischen Kultur und Literatur stürzte, die genau die Idee explizit entwickelte, die mir durch den Kopf geschossen war, während ich jene scheinbar
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