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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile
Autoren: Matthew Stokoe
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setzte sich und begann zu sprechen, noch bevor ich den Mantel ausgezogen hatte. Ihre Stimme klang monoton, und dennoch schien da auch eine gewisse Erleichterung mitzuschwingen, als würden die Worte ein Gift hinausspülen, das ihren Körper Stück für Stück zerfressen hatte.
    »Als du nach Oakridge zurückgekommen bist, wollte dein Vater ganz neu anfangen, eine bessere Beziehung zu dir aufbauen. Aber er dachte, seine Affäre mit mir würde alles zerstören. Er sagte, es wäre falsch, wenn er sie vor dir geheim hielte. An dem Abend, als es geschah, kam er zu mir nach Hause und sagte mir, dass er dir reinen Wein über uns einschenken wollte.«
    Marla sah mich verzweifelt an. Sie hielt ein kleines Taschentuch im Schoß und zerfetzte das dünne Material mit den Fingernägeln.
    »Ich war mir sicher, wenn du es erfährst, wäre es zwischen uns endgültig aus. Ich wollte nur bei dir sein. Etwas anderes wollte ich nie. Und du warst gerade erst zurückgekommen, da musste ich mitansehen, wie du mir schon wieder weggenommen wurdest. Ich flehte ihn an, dir nichts zu sagen, Vergangenes ruhen zu lassen. Er wiederholte nur, dass er es dir sagen müsste. Immer wieder. Und ich drehte allmählich durch. Ich flehte ihn an. Aber er ließ sich nicht umstimmen. Und da gab ich ihm einen Stoß. Das war alles. Ich gab ihm einen Stoß an die Brust, damit er endlich aufhörte. Nur einen Schubs … Ich wollte ihn nicht verletzen. Ich wollte ihm nicht einmal wehtun. Ich wollte nur, dass er es dir nicht erzählt.«
    Marla machte eine Pause und schluchzte, dann riss sie sich mit großer Anstrengung zusammen und fuhr fort.
    »Wir waren in der Küche, und er stürzte. Ich weiß nicht, warum. Es hätte nicht passieren dürfen, er hätte einfach einen Schritt zurückweichen müssen. Aber das hat er nicht getan. Er fiel hin und schlug sich den Kopf an der Kante des Tresens an. Ich versuchte, ihn wiederzubeleben. Ich habe es mit Herzmassagen versucht … Es tut mir so leid, Johnny. Es tut mir so leid.«
    »Aber man hat sein Auto hinter Jerry’s Gas gefunden. Das verstehe ich nicht.«
    »Als ich sah, dass er tot war, geriet ich in Panik. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Also rief ich Gareth an. Er war der einzige Mensch, der mir helfen konnte. Er kam zu mir. Wir warteten bis zwei Uhr morgens, dann fuhren wir Rays Auto zu Jerry, damit es so aussah, als hätte er es dort abgestellt und irgendeinen Bus genommen. Das war eine dumme Idee, aber etwas anderes fiel uns nicht ein, um die Polizei von Oakridge abzulenken.«
    Marla verstummte wieder. Sie wirkte vollkommen erschöpft.
    »Was habt ihr mit der Leiche gemacht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Gareth sagte, es wäre sicherer, wenn ich es nicht wüsste.«
    »Du weißt nicht, wo der Leichnam ist?«
    »Gareth hat ihn mitgenommen. Ich weiß nicht, was er damit gemacht hat.« Marla fing wieder an zu weinen. »Und weißt du, was das Verrückte ist? Der größte Wahnsinn aller Zeiten? Es war vollkommen unnötig. Rays Tod und alles, wozu ich mich danach von Gareth zwingen ließ … das alles war vollkommen unnötig. Denn als du das mit der Affäre herausgefunden hast, hast du mich nicht verlassen. Du hast mich sogar immer noch geliebt. Ich hatte mich so sehr gefürchtet, und am Ende war alles vollkommen … umsonst.«
    Ich saß lange Zeit da und betrachtete Marla. Ich wollte sie für ihre Tat verachten, doch es gelang mir nicht. Mein Vater war ein guter Mensch gewesen, der Recht von Unrecht unterscheiden konnte und nach moralischen Maßstäben lebte. Er war vielleicht ebenso unsicher gewesen wie ich, ratlos, wie sein Weg im Leben auszusehen hatte. Im Angesicht eines übermächtigen, grausamen Universums war er gewiss so unschuldig wie nur je ein guter Mensch. Aber er hatte mich nicht geliebt. Und wenn doch, so hatte seine emotionale Distanziertheit, die Verweigerung jeglicher Zärtlichkeit, zumindest diesen Eindruck erweckt. Mein ganzes Leben lang war er ein Rätsel für mich gewesen, ein freundlicher, unnahbarer Mann, jemand, der mich nie die Erlösung wahrer Zuneigung hatte spüren lassen.
    Es schien, als hätte er am Ende daran etwas ändern wollen. Da waren die teuren Geschenke, die er mir und Stan gemacht hatte, das Vertrauen, das er in mich setzte, als er mir Empty Mile überschrieb, das Bedürfnis, mir sein Verhältnis mit Marla zu beichten, und zuletzt sein Versuch, Gareth zu zwingen, dass er sie nicht mehr anschaffen schickte.
    Für ihn müssen selbst die kleinsten Gesten, die
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