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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile
Autoren: Matthew Stokoe
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wieder zu Atem kam, tauchte ich dennoch unter die Oberfläche des kalten Wassers, ging so tief hinunter, wie es mir möglich war, riss die Augen auf, damit ich besser sehen konnte, und tastete um mich, als es dunkler wurde. Ich fand nichts, berührte keinen ausgestreckten Arm, keinen leblosen Torso. Ich schwamm zur Oberfläche und tauchte wieder unter, tauchte, bis die Welt zu einem kreisenden Strudel weißer Luftbläschen, dunklen Wassers und einer schrecklichen Gier nach Sauerstoff wurde.
    Ich war so erschöpft, dass ich drohte, selbst zu ertrinken, doch irgendwann traf die Polizei ein, und zwei Beamte schwammen hinaus und zerrten mich ans Ufer.
    Der Streifenwagen stand dort, auf der Rasenfläche am Strand, und während meine Retter sich abtrockneten, nahmen ihre Kollegen die Aussagen der alten Leute und von Marla und mir auf. Als sie fertig waren, gingen sie zu dem Bungalow und befragten David, doch der hatte sich hinten in der Scheune aufgehalten und gar nicht mitbekommen, dass etwas passiert war.
    Die Polizei von Oakridge verfügte nicht über die Mittel, den See abzusuchen, und da außer Frage stand, dass Stan und Rosie nicht mehr lebten, wollten sie warten, bis sie am nächsten Morgen ein Team Taucher aus Sacramento anfordern konnten. Die alten Leute durften gehen, sie zogen Absperrband über den Weg zum See, um ihn für die Öffentlichkeit zu sperren, ein Streifenwagen blieb zur Sicherheit dort.
    Marla und ich waren an diesem Tag allerdings noch lange nicht fertig. Wir mussten mit der Polizei nach Empty Mile fahren und erklären, warum vor unserer Blockhütte ein Toter mit einer Schusswunde in der Brust lag und was das mit Stans und Rosies Freitod zu tun hatte.
    Einer der Detectives, der die Uniformierten in Empty Mile unterstützte, war Patterson, der vor Monaten den Fall meines verschwundenen Vaters bearbeitet hatte. In seiner Stimme klang eine Spur Sarkasmus mit, als er seiner Verwunderung darüber Ausdruck verlieh, dass ich jetzt sogar in einen Mordfall verwickelt sei, doch da Millicent bestätigte, dass Stan Gareth erschossen hatte und Marla und ich nichts damit zu tun hatten, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Version zu akzeptieren, die wir ihm geschildert hatten.
    Die Untersuchungen am Tatort dauerten bis zum frühen Nachmittag – Beweismittel wurden sichergestellt, Videoaufnahmen der ganzen Gegend gemacht, der Leichnam fotografiert, und wir wurden immer wieder befragt. Dann, so gegen drei Uhr, brachten sie Marla, Millicent, die von einem Polizisten gestützt werden musste, und mich zum Polizeirevier von Oakridge, wo sie unsere formellen Aussagen aufnahmen.
    Die Polizei hatte einen nachweislichen Täter, jedenfalls wenn sie ihn vom Grund des Sees geborgen hatten, daher behandelte man uns nicht als Verdächtige. Lügen mussten Marla und ich nur, was Stans Motiv für die Tat anbetraf, doch das war leicht. In einem Augenblick der Abgeschiedenheit hatten wir uns, bevor wir ihnen von der Tat erzählten, auf die Version geeinigt, dass Gareth Rosie sexuelle Avancen gemacht hätte, bis es Stan schließlich zu viel wurde. Jeremy Tripp erwähnten wir erst gar nicht.
    Für die Aussagen brauchten wir rund anderthalb Stunden. Als wir fertig waren, fuhren sie uns nach Empty Mile zurück. Der Streifenwagen setzte uns vor Millicents Haus ab. Marla und ich halfen ihr die Treppe hinauf und brachten sie zu Bett. Sie sprach kein Wort, lag nur steif da und starrte ins Leere. Marla machte Tee, aber Millicent wollte keinen, und nach einer Weile hatten wir den Eindruck, dass wir fehl am Platze wären, Störenfriede in ihrem Elend, daher verabschiedeten wir uns und ließen sie allein in dem kleinen Raum, der zunehmend dunkler wurde.
    Marla und ich gingen schweigend über die Wiese, da uns beiden vor dem Gespräch graute, das wir jetzt führen mussten.
    Gareths Leichnam lag nicht mehr vor der Blockhütte. Zurückgeblieben waren nur die Spuren polizeilicher Aktivitäten – Absperrband, leere Beweismittelbeutel, kleine gelbe Plastikschilder, die im Boden steckten und zeigten, wo der Leichnam gelegen hatte. Da der Abend näher rückte, zwitscherten die Vögel, doch das schmälerte den düsteren Eindruck nicht, sondern ließ den Ort nur noch trostloser und einsamer wirken, als hätte die Polizei nicht nur den Toten abtransportiert, sondern darüber hinaus alles mitgenommen, was die Blockhütte und das Land ringsum einmal heimelig und gemütlich gemacht hatte.
    Marla trat mit gesenktem Kopf ein. Sie ging direkt zur Couch,
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