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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition)
Autoren: John le Carré
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sechshundert. Niederlassungen in Zürich, Bukarest, Paris. Bei uns kriegen Sie alles, von Personenschutz über Gebäudesicherung oder Aufstandsbekämpfung bis hin zu Wer-spioniert-meine-Firma-aus und Wer-schläft-mit-meiner-Frau. Irgendeine Vorstellung, was für Leute auf unserer Gehaltsliste stehen?«
    »Nein. Sagen Sie’s mir.«
    Er drehte sich Toby zu und zählte ihm, ganz wie seinerzeit Fergus Quinn, seine Finger ins Gesicht:
    »Fünf Leiter ausländischer Geheimdienste. Vier davon noch im Amt. Fünf ehemalige Direktoren aus dem britischen Geheimdienst, alle mit festen Verträgen bei ihrem alten Verein. Dazu jede Menge Polizeipräsidenten und -vizepräsidenten, immer mal wieder ein Whitehall-Beamter, der sich ein kleines Zubrot verdienen will, plus ein paar Dutzend Ober- und Unterhäusler, das ergibt ein ziemlich starkes Team.«
    »Bestimmt«, sagte Toby höflich und registrierte bei sich, wie viel Gefühl plötzlich in Crispins Stimme durchklang, etwas Triumphierendes, das besser zu einem Kind gepasst hätte als zu einem erwachsenen Mann.
    »Und falls Sie noch irgendeinen Zweifel daran haben, dass Ihre schöne Ministeriumskarriere beendet ist, seien Sie doch so gut und folgen Sie mir«, fuhr er zuvorkommend fort. »Darf ich bitten?«
    ***
    Sie stehen in einem fensterlosen Kabuff, einer Art Aufnahmestudio mit rupfenbespannten Wänden und flachen Monitoren. Crispin spielt Toby mit großer Lautstärke einen Ausschnitt aus seiner Tonbandaufnahme vor, die Stelle, wo Quinn Jeb einheizt:
    »… Was ich damit sagen will, Jeb: Jetzt, wo der Countdown zum D-Day uns schon in den Ohren schallt – Ihnen als dem Soldaten Ihrer Majestät, mir als Staatsminister Ihrer Majestät …«
    »Reicht das, oder wollen Sie noch mehr?«, fragt Crispin, und als keine Antwort kommt, schaltet er ab und nimmt in einem hochmodernen Schaukelstuhl neben der Konsole Platz, während Toby an Tina denkt, Tina, die portugiesische Aushilfsputzfrau, die Lula während ihres spontanen Kurzurlaubs vertreten hat: Tina, die so groß und so motiviert war, dass selbst das Hochzeitsfoto meiner Großeltern abgestaubt wurde. Wenn das einer meiner Auslandsposten gewesen wäre, hätte ich nie gedacht, dass sie nicht für die Geheimpolizei arbeitet …
    Crispin schaukelt vor und zurück wie auf einer richtigen Schaukel, beugt den Oberkörper abwechselnd nach vorn und nach hinten und stößt sich mit geschlossenen Füßen sacht auf dem dicken Teppich ab.
    »Lassen Sie uns Tacheles reden, ja?« Und ohne eine Antwort abzuwarten: »Was das gute alte F. O. betrifft, sind Sie erledigt. Denen schick ich das Band, und das war’s. Wenn die das Wort Wildlife auch nur hören, fangen diese armen Wichte das Schlottern an. Sie sehen ja, was sich dieser Schwachkopf Probyn für seine Mühen eingefangen hat.«
    Er bringt den Stuhl zum Stehen und starrt mit bedeutsam gefurchter Stirn ins Leere.
    »Kommen wir also zu Teil zwei unserer Unterhaltung. Dem konstruktiven Teil. Folgendes Paket bieten wir Ihnen, Sie können zugreifen oder es bleiben lassen. Wir haben unsere Hausjuristen, wir machen einen Standardvertrag. Aber wir sind flexibel, wir sind nicht dumm, wir behandeln jeden Fall, wie er es verdient. Dringe ich zu Ihnen durch? Schwer zu sagen irgendwie. Wie Sie sich denken können, wissen wir alles über Sie. Sie haben Ihre Eigentumswohnung, ein bisschen Geld von Ihrem Großvater, keine Unsummen, nicht so viel, dass der Rest der Welt Ihnen gestohlen bleiben kann, aber verhungern müssen Sie nicht. Das F. O. zahlt Ihnen derzeit achtundfünfzigtausend im Jahr, fünfundsiebzig ab nächstem, wenn Sie’s nicht versieben; keine nennenswerten Zahlungsrückstände. Sie sind hetero, Sie lassen nichts anbrennen, und Sie sind ungebunden – was sich hoffentlich nicht so schnell ändern wird. Was haben Sie noch, was Sie für uns attraktiv macht? Eine gute Gesundheit, Sie bewegen sich gern im Freien, Sie sind fit, von echtem angelsächsischem Schrot und Korn, aus kleinen Verhältnissen, aber Sie haben die Klassenschranken überwunden. Sie sprechen drei Sprachen, Sie haben erstklassige Zeugnisse aus jedem Land, in dem Sie unserer Queen gedient haben, und von ihr kriegen Sie nur halb so viel bezahlt, wie Sie bei uns zum Einstieg erwartet. Dazu ein goldener Begrüßungshandschlag von zehn Riesen, wenn Sie als Executive Vice-President zu uns kommen, außerdem ein Firmenwagen Ihrer Wahl mit sämtlichen Extras, Krankenversicherung, Reisen in der Business-Class, unbegrenztes Spesenkonto …
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