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Emma will’s wissen

Emma will’s wissen

Titel: Emma will’s wissen
Autoren: Maja von Vogel
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können«, erklärte Herr Marten. »Sie bringen einem das Essen nach Hause. Jeden Tag, wenn man möchte.«
    »Ist bis dahin nicht alles kalt?«
    »Das Essen wird in Warmhalteboxen geliefert. Aber manchmal ist es trotzdem nur noch lauwarm.«
    »Klingt nicht besonders lecker«, sagte ich.
    »Könnte schlimmer sein.« Herr Marten lächelte wehmütig. »An die Kochkünste meiner Hilda kommen sie in so einer Großküche natürlich nicht heran.« Hilda war Herrn Martens Frau. Sie war schon seit vielen Jahren tot, aber Herr Marten erzählte trotzdem jedes Mal von ihr, wenn Lea und ich bei ihm waren. »Hättest du vielleicht Lust, mir aus der Zeitung vorzulesen?«, fragte er. »Meine Augen sind heute ein wenig müde.«
    Ich nickte. »Klar, kein Problem.«
    Herr Marten führte mich ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch lag die Samstagsausgabe des Dederstädter Anzeigers. Daneben standen eine Schale mit Schokoladenkeksen, eine Kanne Kaffee und zwei Becher mit Kakao. »Wie wär’s mit einer kleinen Stärkung?« Herr Marten schob einen Stuhl zurück, damit ich mich setzen konnte. »Du magst doch Kakao, oder?«
    Das fragt er jede Woche und ich antworte jedes Mal dasselbe. »Und wie!«
    Der Kakao hatte eine Haut. Das finde ich eigentlich ziemlich eklig, aber ich nahm trotzdem einen Schluck. Es war fast so, als wäre ich einfach nur zu Besuch. Herr Marten ist immer total nett und höflich, darum macht es mir auch nichts aus, wenn er stundenlang seine Geschichten von früher erzählt. Im Gegenteil, manchmal ist das sogar richtig interessant. In der Woche zuvor hatte er uns erzählt, wie er seine Frau Hilda kennenlernte. Die Geschichte kannten wir noch nicht. Er hat sie vor über sechzig Jahren auf einem Tanzfest getroffen. Wahnsinn, oder? Lea ist die ganze Zeit auf ihrem Stuhl hin und her gerutscht. Von ihrem Kakao hat sie keinen einzigen Schluck getrunken. Sie mag auch keine Haut. Aber ich finde, da muss man sich nicht so anstellen.
    Draußen regnete es. Die Tropfen prasselten gegen das Fenster. Tja, Pech für Lea. Sie musste jetzt mit dem blöden Pudel im Regen herumlaufen und wurde klitschnass, während ich gemütlich hier im Trockenen saß, Kakao trank und Schokoladenkekse futterte. Ich steckte mir einen Keks in den Mund und kaute genüsslich.
    Herr Marten setzte sich in seinen Ohrensessel. »Ach ja«, seufzte er. »Es geht doch nichts über ein behagliches Zuhause, findest du nicht auch?« Ich nickte. Sagen konnte ich gerade nichts, weil ich den Mund voll hatte. »Nun habe ich schon so viele Jahre in diesem Haus verbracht«, fuhr Herr Marten nachdenklich fort. »Es steckt voller schöner Erinnerungen. Hier habe ich gelebt und hier möchte ich sterben, nirgendwo sonst.« Er sah dabei überhaupt nicht traurig aus, sondern beinahe glücklich.
    Ich schluckte den Keks hinunter. »Sie sterben noch lange nicht«, sagte ich. »Sie sind doch fit wie ein Turnschuh.«
    Herr Marten gluckste. »Na ja, wie ein sehr alter Turnschuh vielleicht.«
    Ich musste kichern. Dann fragte ich: »Sollen wir los-legen?«
    Herr Marten nickte und goss sich eine Tasse Kaffee ein. »Vielleicht können wir mit dem Lokalteil anfangen. Wäre das in Ordnung?«
    »Klar.« Ich schlug die Zeitung auf und überflog die ers-te Seite des Lokalteils. »Wollen Sie etwas über den Kaninchenzüchterverein hören? Oder lieber über die neue Umgehungsstraße? Oh, und dann gab es noch einen Unfall auf der Bundesstraße.«
    »Das mit dem Kaninchenzüchterverein hört sich ausgesprochen spannend an. Man kann gar nicht genug über Kaninchenzüchtervereine wissen, findest du nicht auch?« Herr Marten nahm einen Schluck Kaffee und ich musste wieder kichern. Manchmal kann er richtig witzig sein.
    Dann begann ich, den Artikel vorzulesen. Er war furchtbar langweilig. Es ging um eine Kaninchenausstellung und darum, wer den Preis für das schönste Kaninchen gewonnen hatte. Ich musste an Pinki denken, Monas stinkendes Kaninchen, das in seinem Käfig bei uns im Dachzimmer wohnt. Das Siegerkaninchen auf dem Foto war sogar noch fetter als Pinki-Stinki. Vielleicht sollte Mona mit Stinki auch mal auf so eine Kaninchenschau gehen. Der Sieger bekam eine Urkunde und zweihundert Euro. Das ist viel Geld für ein dickes Kaninchen, finde ich.
    Herr Marten schien den Artikel auch nicht so spannend zu finden. Als ich zu Ende gelesen hatte, waren ihm die Augen zugefallen. Er war eingeschlafen! Sein Mund stand ein bisschen offen und er schnarchte leise. Das war mir irgendwie peinlich, gleichzeitig musste ich
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