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Emma und der Rebell

Emma und der Rebell

Titel: Emma und der Rebell
Autoren: Linda Lael Miller
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backte.
    »Ich
begreife nicht, warum Miss Chloe uns diesen Fremden ins Haus geschleppt hat«,
brummte die große schwarze Frau, ohne von der Pfanne aufzusehen. »Er gefällt
mir gar nicht!«
    »Reg dich
nicht auf, Daisy«, sagte Emma, während sie sich einen Kaffee einschenkte. »Es
ist so ein schöner Tag heute.«
    »Ich rege
mich auf, soviel ich will«, murmelte Daisy, als sie klappernd den Teller mit
den Pfannkuchen auf den Tisch stellte. »Ein richtiger Mann läßt sich nicht von
vorne bis hinten bedienen.«
    Emma
lächelte. »Ihm bleibt nichts anderes übrig, Daisy. Er ist noch ans Bett
gefesselt.«
    »Das ist
nicht meine Schuld«, entgegnete die Köchin grollend und stapfte wieder zu ihrem
Herd.
    Emma nahm
sich einen Pfannkuchen und bestrich ihn mit Butter.
    »Kommt dein
Bankier heute zum Abendessen?« fragte Daisy.
    Emma
lächelte. »Ich glaube nicht, Daisy. Fulton geht an Wochentagen nicht gerne aus.
Er behauptet, es beeinträchtigte seine Konzentration am nächsten Arbeitstag.«
    »Pah«,
brummte Daisy. »Ich möchte ihm zu Konzentration verhelfen – mit meiner großen
Eisenpfanne ...«
    Emma
verschluckte sich fast an ihrem Pfannkuchen. »Also wirklich, Daisy«, meinte sie
mit gespielter Strenge. »Man könnte Zweifel bekommen, daß du eine gute Christin
bist, wenn man dich so reden hört! Was würde Reverend Hess dazu sagen?«
    »Daß ich
eine alte Frau bin und ihr mich in Ruhe lassen sollt.«
    »Mr.
Fairfax schläft, und er will kein Frühstück haben. Du kannst aber später nach
ihm sehen, wenn du willst.«
    »Das werde
ich«, versicherte Daisy grimmig. »Dann lernt er meinen Besen kennen!«
    Emma nahm
Daisys Gerede nicht ernst, denn hinter all ihrem Gebrumme und Geknurre verbarg
sich ein sehr gütiger Mensch.
    »Tu das
nur«, sagte sie deshalb lächelnd, als sie aufstand und durch die Halle zur
Eingangstür ging.
    Draußen war
herrliches Wetter, und Emma ging mit beschwingten Schritten über den von
Ahornbäumen beschatteten Bürgersteig in Richtung Stadtmitte. Chloes Haus mit
den vielen Zimmern, der geräumigen Veranda und dem großen Garten war eines der
schönsten Gebäude in der ganzen Stadt. Eigentlich sogar das schönste im ganzen
Distrikt, wenn man Big Joe Lenahans Ranch und die Villa der Whitneys nicht mitzählte.
    Emma trug
ein schlichtes blaues Taftkleid und hatte ihr langes blondes Haar heute
aufgesteckt, anstatt es wie sonst zu einem Zopf zu flechten. Ihr einziger
Schmuck war die wunderschöne Kameebrosche, die Chloe ihr zum letzten
Weihnachtsfest geschenkt hatte.
    Als sie am
Yellow Belly Saloon – oder was davon übriggeblieben war – vorbeikam, blieb sie
kopfschüttelnd stehen. Die Fassade des Gebäudes lag noch immer mitten auf der
Straße, obwohl man bereits angefangen hatte, sie mit Hammer und Säge zu
zerteilen. Das Innere des Lokals war rauchgeschwärzt, Piano und Theke bis zur
Unkenntlichkeit verbrannt. Holzbalken lagen quer über dem Billardtisch, und
das Gemälde von der nackten Frau, das so oft den Unmut der Presbyterianer ausgelöst
hatte, war auf einer Seite völlig weggebrannt, so daß nur noch der Kopf der
Dame zu sehen war.
    Emma
überquerte die Straße und wäre zu ihrer Bücherei weitergegangen, wenn nicht
Callie Visco aus dem Stardust Saloon gekommen wäre. Schon am frühen Morgen trug
sie ein pinkfarbenes Satinkleid, schwarze Netzstrümpfe und eine blaue Federboa.
    »Hallo,
Miss Emma«, sagte sie und zog, nachdem sie sich umgeschaut und vergewissert
hatte, daß niemand zusah, den Roman aus der Tasche, den sie sich am Tag zuvor
ausgeliehen hatte. »Könnten Sie mir noch ein solches Buch besorgen?« flüsterte
sie Emma zu.
    »Warum so
geheimnisvoll, Callie?« entgegnete Emma lächelnd. »Es ist doch keine Sünde,
wenn man gern liest.«
    Callie
straffte die schmalen Schultern. Auf die rechte Wange hatte sie sich einen
Schönheitsfleck gemalt, und ihr platinblondes Haar bauschte sich in großen
Locken um ihr Gesicht. »Die anderen Mädchen könnten denken, ich hätte zuviel
Zeit«, erwiderte sie gedämpft.
    »Na schön«,
antwortete Emma im gleichen verschwörerischen Ton, »dann komm heraus, wenn du
mich heute mittag vorbeigehen siehst. Ich bringe dir ein Buch mit.«
    Callie
lächelte erfreut. Es war fast unmöglich, ihr Alter zu schätzen, bei all der
Schminke in ihrem Gesicht, aber Emma vermutete, daß sie mindestens Ende Dreißig
war. »Danke, Miss Emma«, sagte sie erleichtert.
    Emma schloß
die Leihbücherei auf und trat ein. Sie war noch keine fünf Minuten da,
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