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Emma und der Rebell

Emma und der Rebell

Titel: Emma und der Rebell
Autoren: Linda Lael Miller
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aus ihrer mit
Goldborten besetzten Tasche nehmen sah. »Hier, Molly. Nimm das und sag deinem
Mann, es wären diesmal keine guten Waisenkinder dabeigewesen.«
    Molly Hand
zitterte, als sie nach dem Geld griff. »Willst du eine Hure aus ihr machen?«
    Emma hielt
den Atem an. Sie hatte gehört, wie ihre Mutter von einigen Männern so bezeichnet
wurde, obwohl sie alle Kathleen doch recht gern zu haben schienen. Sie wußte,
daß das Wort etwas Schlechtes zu bedeuten hatte.
    Chloe
Reeses smaragdgrüne Augen glitten prüfend über Emmas kleine Gestalt, und sie
lächelte sanft. »Ich glaube nicht«, sagte sie leise. »Eigentlich habe ich mir
schon immer ein kleines Mädchen für mich selbst gewünscht.«
    Mollys
abgetragene Schuhe knirschten auf dem Schnee, als sie sich, Chloes Geld in der
Hand, zum Gehen wandte.
    »Komm
jetzt«, forderte Chloe Emma freundlich auf. »Wir werden zusehen, daß du etwas
zu essen und etwas Anständiges zum Anziehen bekommst. Ich bin überzeugt, daß du
ein sehr hübsches Mädchen sein wirst, wenn wir dich umgezogen und gekämmt
haben.«
    Hinter
ihnen setzte sich der Zug ratternd in Bewegung.
    Mit Tränen
in den Augen blieb Emma stehen, um ihrer Schwester zuzuwinken. Lily, die sie
endlich unter den vielen Menschen entdeckt hatte, winkte zurück.
    »War das
deine Freundin?« fragte Chloe, als sie Emma zu einem hübschen zweisitzigen
Wagen führte.
    Emma konnte
nichts erwidern. Ihre Kehle war wie zugeschnürt angesicht des schrecklichen
Verlusts, den sie erlitten hatte. Zuerst Caroline, und nun Lily. Sicher mußte
Lily schon wieder – sie hatte die peinliche Angewohnheit, immer im
unpassendsten Moment auf die Toilette zu müssen –, und diese ungezogenen Bengel
im Zug würden sie dann wieder ärgern.
    »Sei nicht
traurig«, sagte Chloe, die selbst an diesem kalten Dezembertag einen angenehmen
Blumenduft um sich verbreitete. »Du wirst andere Freundinnen finden, wenn wir
in Whitneyville sind. Es liegt in Idaho, meine Kleine.«
    Emma saß
verwirrt und fröstelnd neben ihrer Wohltäterin im Wagen und hoffte inbrünstig,
daß sich irgend jemand irgendwo um Lily kümmern würde. Sie war doch noch so
klein und bisher noch nie allein gewesen ...
    »Sehr
gesprächig bist du nicht«, bemerkte Chloe, als sie die Zügel auf den
Pferderücken klatschen ließ und das Tier sich in Bewegung setzte.
    Traurig
dachte Emma an die unzähligen Gelegenheiten, bei denen Mama sie auf den Mund
geschlagen hatte, weil sie zuviel geredet hatte. »Nein, Madam«, erwiderte sie,
ihre Stimme rauh vor ungeweinten Tränen. »Grandma sagte immer, ich könnte sogar
eine Vogelscheuche aus der Ruhe bringen.«
    Chloe
lachte schallend, was nicht sehr damenhaft klang, aber Emma hatte längst
erraten, daß Chloe keine Dame war. »Du hattest also eine Großmutter? Wieso
warst du dann im Waisenkinderzug, wenn du Familie hast?«
    Die Frage
schmerzte. Emma straffte ihre Schultern und fuhr sich mit dem Mantelärmel über
Augen und Nase. »Grandma starb im letzten Winter. Danach lernte Mama einen
Soldaten kennen, und der wollte uns nicht. Er verlangte von ihr, daß sie uns in
den Zug setzte, und das hat sie getan.«
    Chloe bemühte
sich, ihr Mitleid zu verbergen, was sie in Emmas Augen noch viel sympathischer
machte. »Uns?« wiederholte sie leise. »Wie viele von euch waren denn
auf dem Zug?«
    »Drei«,
antwortete Emma verzagt. »Caroline wurde gestern adoptiert, in Lincoln. Lily
ist noch im Zug.«
    »Ist Lily
älter als du?«
    Emma
schüttelte den Kopf. »Lily ist erst sechs, und ich bin sieben.« Nervös suchte
sie den Zettel, den die Frau in dem Waisenhaus in Chicago an ihren Mantel
geheftet hatte und auf dem die Nummer Zweiunddreißig stand. Emma riß ihn ab,
zerknüllte ihn und warf ihn in den schmutzigen Schnee am Straßenrand.
    »Lieber
Gott«, murmelte Chloe, mehr zu sich selbst, als zu Emma. »Was müssen das für
Leute sein, die kleine Kinder in den Westen schicken, damit sie Männern wie
Benjamin Carver zum Opfer fallen?«
    Emma
schwieg, weil sie wußte, daß keine Antwort von ihr erwartet wurde – sie hätte
auch keine darauf gehabt. Sie konnte nun wieder den Zug in der Ferne rattern
hören und hätte am liebsten laut geschrien.
    Die
Geschäfte der betriebsamen Prärieansiedlung befanden sich alle auf einer Seite
der schlammigen schmalen Straße, die durch Beaver Crossing führte. Im
Vorbeifahren betrachtete Emma die
ausgestellten Waren, die Hüte und Kleider, aber in Wirklichkeit schaute sie
durch sie hindurch und sah nur ein
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