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Emma und der Rebell

Emma und der Rebell

Titel: Emma und der Rebell
Autoren: Linda Lael Miller
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sie am
Yellow Belly Saloon mit der schiefen Veranda und dem abblätternden
Fassadenanstrich vorbeikam, drang der aufdringliche Geruch von Whiskey, Bier
und Schweiß zu ihr hinaus. Emma ging noch schneller und stürmte schließlich
recht undamenhaft mit großen Schritten und gerafften Röcken über die schmutzige
Straße.
    Der
Bahnhofsvorplatz war mit ankommenden und abreisenden Passagieren überfüllt.
Schweine, Pferde und Hühner in Kisten warteten darauf, in den Zug verfrachtet
zu werden.
    So
unauffällig wie möglich drängte Emma sich durch die Menschen und hielt mit
geübtem Auge Ausschau nach dem Zugführer. Ein korpulenter Mann mit gerötetem
Gesicht und vollem weißem Haar stand halb verborgen hinter einer Ladung
Konservendosen, die für Whitneyvilles Kolonialwarenladen bestimmt waren.
    Emma
näherte sich ihm und räusperte sich. »Einen schönen guten Tag, Mr. Lathrop«,
begann sie höflich.
    Der Mann
nickte ihr zu. »Miss Emma.« Seine braunen Augen blickten freundlich und eine
Spur bedauernd. »Ich fürchte, heute habe ich keine Nachricht für Sie. Es sieht
fast so aus, als gäbe es keinen Menschen in diesem Teil des Landes, der etwas
über ihre Schwestern weiß.«
    Obwohl sie
mit dieser Antwort gerechnet hatte – seit fast vierzehn Jahren bekam sie keine
andere – wurde Emma für einen Moment von tiefster Niedergeschlagenheit erfaßt.
»Wenn Sie bitte trotzdem auf jeder Station einen dieser Zettel aufhängen
würden ...«
    Mr. Lathrop
nahm eines der bedruckten Blätter und betrachtete es prüfend.
    BELOHNUNG!
    500 DOLLAR IN BAR!
    Für jede Information, die dazu beitragen könnte
    MISS CAROLINE CHALMERS
    (dunkle Augen, dunkles Haar)
    und
    MISS LILY CHALMERS
    (braune Augen, blondes Haar)
    zu finden.
    Bitte setzten Sie sich mit
    MISS EMMA CHALMERS
    bei der Whitneyville Lending Library in Whitneyville,
    Idaho, in Verbindung.
    »Vielleicht
hätte ich noch > Danke < daruntersetzen sollen«, bemerkte Emma besorgt, als sie über Mr.
Lathrops breite Schulter hinweg noch einmal ihre Nachricht las.
    Der
Zugführer lächelte. »Es kommt klar genug zum Ausdruck, daß Sie für jede Hilfe
dankbar wären, Miss Emma.«
    »Manchmal
kommt es mir so sinnlos vor, so hoffnungslos«, erwiderte sie seufzend. »Genau
wie der Schluß von Anna Karenina. Haben Sie das Buch gelesen, Mr.
Lathrop?«
    »Nicht, daß
ich wüßte, Miss Emma«, erwiderte er verblüfft. »Wissen Sie, wenn man sein Leben
auf den Eisenbahnschienen verbringt, kommt man nicht zum Lesen.«
    Emma
nickte. »Das kann ich mir vorstellen. Die Fahrtgeräusche müssen doch sehr
störend sein.«
    Es war Mr.
Lathrops Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Tiere und Menschen ihre Plätze in
seinem Zug fanden. Deshalb verließ er Emma, nachdem er sich freundlich von ihr
verabschiedet hatte. Jedes Weihnachten schenkte Emma ihm ein Paar
selbstgestrickte Socken und eine Schachtel Walnußpralinen, aber jetzt fragte
sie sich, ob das eine ausreichende Belohnung für einen Mann sein mochte, der
sich mit solcher Beharrlichkeit bemühte, ihr zu helfen.
    Sie blieb
noch eine Weile stehen und betrachtete die ein- und aussteigenden Passagiere,
denn die Hoffnung, einmal eine ihrer Schwestern unter ihnen zu erblicken, hatte
sie nie ganz aufgegeben. Als sie schließlich enttäuscht weiterging, wäre sie
fast gegen eine Rampe gelaufen – und gegen den Mann und das Pferd, das die
Rampe hinunterkamen.
    Mit einem
erschrockenen Ausruf sprang Emma zurück, und der Mann im Sattel tippte lächelnd
an den Rand seines ausgebeulten Huts. Er sah aus wie ein heruntergekommener
Cowboy, nichts an ihm erinnerte an einen Gentleman, und doch verspürte Emma
ein gar nicht unangenehmes Prickeln im Magen, als sie den Blick des Mannes
erwiderte.
    »Passen Sie
doch auf!« sagte sie entrüstet.
    Mit einer
kaum wahrnehmbaren Bewegung zügelte der Mann das nervöse Pferd und führte es
auf die schlammbedeckte Straße. Er schien es amüsant zu finden, daß Emma Anstoß
an seinem Verhalten genommen hatte, denn er grinste sie frech an. Strahlend
weiße Zähne blitzten in einem sonnengebräunten, stoppelbärtigen Gesicht.
    Dann machte
er eine angedeutete Verbeugung vor ihr. »Ich bitte vielmals um Verzeihung,
Mylady«, sagte er spöttisch, bevor er lachend weiterritt.
    Emma strich
sich übers Haar, raffte seufzend ihre Röcke und machte sich auf den Heimweg.
Anscheinend bemühte sich heutzutage niemand mehr um gute Manieren!
    Weil irgend
etwas an diesem Reiter sie verstört hatte, zwang Emma sich, wieder an
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