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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein
Autoren: Stewart O'Nan
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gesenktem Kopf und rollenden Schultern wie ein Bär durch den Garten.
    «Betty hat recht», sagte sie. «Du siehst fürchterlich aus.»
    Sein linkes Hinterbein war ziemlich wackelig. Beim Treppensteigen bereitete es ihm Mühe, auf dem gebohnerten Holz Halt zu finden, und manchmal blieb er auf halbem Weg stehen, als käme er nicht mehr voran.
    «Geh weiter», sagte sie dann hinter ihm, bereit einzuschreiten. «Das schaffst du. Na los, noch einen Schritt. Braverjunge.»
    Treppab ging es nicht viel besser, wie ein Frosch hüpfte er von einer Stufe zur nächsten.
    Dennoch versuchte er, ihr wie immer im ganzen Haus hinterherzulaufen, außerstande, diese feste Gewohnheit aufzugeben. Nach dem Frühstück folgte er ihr gern nach oben und legte sich auf ihre Füße, während sie sich die Zähne putzte.
    «Nein, Boo-Boo, du bleibst hier», sagte sie. «Ich bin gleich wieder da.»
    Kenneth empfahl aufklebbare Teppichfliesen, Margaret ein Schutzgitter.
    «Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn er die Treppe nicht mehr rauf- und runterkommt.»
    «Wie wär’s mit einem dieser Treppenlifte?», fragte Margaret.
    «Mir ist nicht nach Witzen zumute.»
    «Kann er nicht unten schlafen?»
    «Dann wäre er unglücklich», sagte Emily. «Und ich auch.»
    «Er hatte ein gutes Leben.»
    «Hat er immer noch.»
    «Du kannst es ihm bloß so bequem wie möglich machen.»
    «Ich weiß», sagte Emily, und ihr war bewusst, dass sie in gewisser Weise über sie selbst sprachen.
    Sie hatte Angst, dass er Schmerzen hatte und sie egoistisch war. Seit Margarets früher Kindheit hatten sie einen Hund gehabt, normalerweise sogar zwei, und der Gedanke an ein Leben ohne jeglichen Gefährten war entsetzlich.
    Wie verordnet, gab sie ihm seine Fischölpillen, aber es half nichts. Er erinnerte sie immer mehr an Duchess kurz vor ihrem Tod. Es fiel ihm schwer aufzustehen, seine Pfoten rutschten weg und suchten nach Halt, und sein Hinterteil sackte mehrmals zu Boden, bevor Emily das Zimmer durchqueren und ihm aufhelfen konnte.
    «Ich weiß, mein Freund», sagte sie. «Das ist nicht leicht.»
    Trotz all seiner Probleme hatte er immer noch Lust auf sein Futter. Noch konnte er die Hundekuchen auffangen und verteilte das Wasser aus seinem Napf beim Schlabbern auf dem ganzen Küchenfußboden. An heißen Tagen ging er noch gern nach draußen und legte sich auf den kühlen Beton der hinteren Veranda. Beim Schlafen ließ er die dünne Zungenspitze aus dem Maul hängen, als sei er tot - das hatte er noch nie getan, und es beunruhigte sie zutiefst. Manchmal hielt sie mitten in ihrer Arbeit inne und starrte seinen Brustkorb an, um sich zu vergewissern, ob er noch atmete. Und wenn nicht?
    Am nächsten Dienstag sollte er untersucht werden, doch am Freitag legte er sich bei ihrem Morgenspaziergang vorm Haus der Millers auf den Gehsteig und wollte nicht wieder aufstehen. Sie rief beim Tierarzt an, um zu fragen, ob sie mit ihm vorbeikommen könne. Ja, selbstverständlich, sagte man ihr. Sie musste Jim Cole bitten, ihn in den Kofferraum des Subaru zu heben, und musste ihm dabei helfen.
    Unterwegs wurde ihr klar, dass es, anders als bei Duchess, niemanden gab, an den sie sich wenden konnte, dass die Verantwortung allein bei ihr lag. Wenn sie ihn einschläfern lassen musste, würde sie es tun, egal, ob sie darauf vorbereitet war.
    Beim Tierarzt hoben ihn Michael und ein Gehilfe aus dem Wagen und trugen ihn zwischen sich wie einen Sack.
    Noch im Februar hatte er dreißig Kilo gewogen. Jetzt, vier Monate später, waren es über vierzig.
    «Ach, Junge», murmelte Michael, «was ist bloß mit dir los?»
    «Dann ist meine Panik also nicht übertrieben?»
    «Auch ich wäre beunruhigt. Ein Hund seiner Größe sollte nicht so dick sein.»
    Während der Gehilfe die Leine hielt, forderte Dr. Magnuson Rufus auf, sich zu setzen und dann wieder aufzustehen. «Danke. Schön, dass du so geduldig bist.» Der Arzt ließ seine großen Hände über Rufus’ Hüften gleiten, nahm die Pfote und streckte das schwache Bein. Rufus drehte sich um und knurrte tief in der Kehle.
    «Verstehe», sagte der Arzt und tätschelte ihn. «An deiner Stelle würde mir das auch nicht gefallen.»
    «Könnte das von dem Sturz kommen?», fragte Emily.
    «Das bezweifle ich. Eine Verletzung hätte sich sofort gezeigt. Das wahre Problem ist sein Gewicht, denn jetzt muss der ganze Körper viel mehr leisten. Bei einer so schnellen Gewichtszunahme ist normalerweise immer etwas anderes mit im Spiel. Ich würde gern ein paar
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