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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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konnte der alte Mann das dunkle Band des Flusses sehen. Und dann schien alles auf einmal zu passieren. Der alte Mann ließ den
Motor aufjaulen, die dritte Gestalt klammerte sich an die Tür, das Dach wurde weggerissen, sodass die kalte Nachtluft einströmte. Das Einzige, was unverändert blieb, waren die Kinder, die weiterschliefen und von alledem nichts mitbekamen. Dann flog der Wagen über einen kleinen Hügel und stürzte hinab, dorthin, wo der Fluss langsam durch sein Bett strömte.
    Er kam niemals dort an. Bevor der Wagen auf der Wasserfläche aufprallte, verschwand er einfach. Zurück blieben drei Gestalten, die sich platschend und prustend durch den Fluss kämpften.
    Eine Sekunde später und etliche hundert Meilen weiter nördlich hielt der Wagen unversehrt – bis auf einige Kratzer im Lack und das fehlende Dach – vor einem großen grauen Gebäude an. Er wurde offensichtlich schon erwartet, denn eine kleine Frau in dunklen Gewändern kam die Stufen heruntergehastet.
    Gemeinsam mit dem alten Mann trug sie die Kinder ins Haus. Sie stiegen bis zum obersten Stockwerk empor und gingen dann einen langen Flur entlang, der mit Weihnachtsgirlanden und Lametta dekoriert war, vorbei an vielen Zimmern, in denen Kinder schliefen. Erst die allerletzte Tür öffneten sie und traten hindurch. In dem Raum standen nur zwei Betten und eine Wiege.
    Die kleine Frau – eine Nonne namens Schwester Agatha – trug den Jungen und das Baby. Sie legte den Jungen in ein Bett und seine kleine Schwester in die Wiege. Keiner von beiden rührte sich. Der alte Mann legte Kate in das andere Bett und zog ihr die Decke bis unters Kinn.
    »Die armen Kleinen«, sagte Schwester Agatha.
    »Ja. Und von ihnen hängt so vieles ab.«
    »Glauben Sie, dass sie hier sicher sind?«
    »So sicher wie nirgendwo sonst. Er wird nach ihnen suchen.

    So viel ist gewiss. Aber die Einzigen, die wissen, dass die Kinder hier sind, sind Sie und ich.«
    »Wie soll ich sie nennen? Sie brauchen doch einen neuen Nachnamen.«
    »Wie wäre es mit …« Der alte Mann dachte kurz nach. »Mit P?«
    »Nur P?«
    »Nur P.«
    »Was ist mit dem älteren Mädchen? Sie wird sich doch gewiss an ihren richtigen Namen erinnern.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass sie es nicht tut.« »Kaum zu glauben, dass all das wirklich geschieht. Kaum zu glauben …« Sie warf dem alten Mann einen Blick zu. »Möchten Sie nicht eine kleine Weile bleiben? Im Wohnzimmer brennt ein Feuer im Kamin und ich habe noch etwas von dem Bier aus dem Kloster. Immerhin ist heute Weihnachten.«
    »Das klingt sehr verlockend. Aber leider geht das nicht. Ich muss nach den Eltern der Kinder sehen.«
    »Herrje, also hat es wirklich angefangen…« Leise seufzend verließ die kleine Frau das Zimmer.
    Der alte Mann folgte ihr zur Tür, blieb stehen und schaute noch einmal zu den Kindern. Er hob die Hand und sprach, als wollte er sie segnen: »Bis wir uns wiedersehen.« Dann ging er hinaus.
    Die drei Kinder schliefen weiter. Sie wussten nichts von der neuen Welt, die sie erwartete, wenn sie aufwachten.

KAPITEL 1
Mrs Lovestocks Hut
    Besagter Hut befand sich im Besitz von Mrs Constance Lovestock. Mrs Lovestock war eine Frau in mittleren Jahren, mit einem mehr als mittelgroßen Vermögen und kinderlos. Sie war keine Frau, die sich mit Halbheiten abgab. Da war zum Beispiel die Sache mit den Schwänen.
    Sie hielt sie für die schönsten und elegantesten Geschöpfe auf der ganzen Welt.
    »So graziös«, sagte sie. »So vornehm.«
    Wenn man ihr großes und luxuriöses Anwesen am Rande von Baltimore erreichte, erblickte man als Erstes Büsche, die in Schwanenform geschnitten waren. Daneben Statuen von Schwänen, die sich gerade in die Luft schwangen. Ein Brunnen, wo eine Schwanenmutter ihre Jungen mit Wasser bespuckte. Ein Vogelbad in Gestalt eines Schwans, in dem das gewöhnliche Federvieh die Ehre hatte, baden zu dürfen. Und natürlich echte Schwäne, die in den das Haus umgebenden Teichen
dahinglitten und die manchmal – nicht so graziös, wie man hätte erwarten dürfen – an den Erdgeschossfenstern vorbeiwatschelten.
    »Wenn ich etwas tue«, sagte Mrs Lovestock stolz, »dann richtig.«
    Und so geschah es eines Abends Anfang Dezember, als sie auf dem Schwanen-Sofa vor dem Kamin saß, auf dem Schoß das Strickzeug, neben sich ihren Ehemann, Mr Lovestock, dass sie verkündete: »Gerald, ich werde ein paar Kinder adoptieren. «
    Mr Lovestock, der jeden Sommer allein in Urlaub fuhr – vorgeblich, um Käfer zu sammeln,
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