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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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über einer verbogenen und fleckigen Brille mit einem Rahmen aus Schildpatt. Alles in allem sah er aus wie jemand, der sich inmitten eines Wirbelsturms angekleidet hatte und zu allem Überfluss auch noch eine Treppe hinuntergefallen war.
    Aber wenn man in seine Augen blickte, wurde alles anders.
    Sie reflektierten das Licht nicht, sondern schienen ihr eigenes Licht zu verbreiten. Sie glänzten hell in der kalten Winternacht, und in ihnen lag ein Ausdruck von solch ungewöhnlicher Kraft, Freundlichkeit und von Verstehen, dass man das fleckige Hemd, den fehlenden Knopf oder die zweimal geknotete Krawatte völlig vergaß. Wenn man in diese Augen blickte, wusste man, dass man die wahre Weisheit gesehen hatte.
    »Meine Freunde, wir haben immer gewusst, dass dieser Tag kommen würde.«
    »Aber was hat sich verändert?«, wollte der Vater der Kinder wissen. »Seit Cambridge Falls ist nichts mehr passiert. Das war vor fünf Jahren! Etwas muss geschehen sein.«
    Der alte Mann seufzte. »Heute Abend war ich bei Devon Mc-Clay. «
    »Er ist doch nicht … Das kann nicht sein!« »Ich fürchte doch. Und da wir nicht wissen, was er ihnen gesagt hat, bevor er starb, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen. Wir müssen annehmen, dass er die Kinder verraten hat.«
    Lange Zeit sagte niemand etwas. Die Frau weinte jetzt rückhaltlos.

    »Ich habe Kate gesagt, dass wir uns wiedersehen. Ich habe sie angelogen.«
    »Liebling …« »Er wird nicht aufgeben, ehe er sie gefunden hat! Sie werden niemals in Sicherheit sein!«
    »Das stimmt«, sagte der alte Mann leise. »Er wird niemals aufgeben.«
    Von wem die Rede war, musste niemandem der Anwesenden erklärt werden.
    »Aber es gibt eine Möglichkeit. Und wir haben sie immer im Auge gehabt. Die Kinder müssen aufwachsen dürfen, um ihr Schicksal zu erfüllen …« Er verstummte.
    Der Mann und die Frau wandten sich um. Am Ende des Blocks standen drei dunkle Gestalten in langen Mänteln und beobachteten sie. In der Straße wurde es sehr still. Selbst die Schneeflocken schienen in der Luft zu verharren.
    »Sie sind da«, sagte der alte Mann. »Sie werden die Kinder verfolgen. Ihr müsst verschwinden. Ich werde euch finden.«
    Ehe die beiden noch etwas erwidern konnten, hatte der alte Mann die Fahrertür des schwarzen Wagens geöffnet und war hinter das Lenkrad geglitten. Die drei Gestalten kamen näher. Der Mann und die Frau wichen zum Haus zurück, während der Motor mit einem Poltern und Aufkeuchen zum Leben erwachte. Eine Sekunde lang drehten die Räder im Schnee durch, dann griffen sie, und das Auto fuhr schleudernd an. Die Gestalten rannten jetzt, liefen achtlos an dem Mann und der Frau vorbei. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Wagen, der rutschend und schlitternd die schneebedeckte Straße entlangfuhr.
    Der weißhaarige Mann umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen. Glücklicherweise war es schon spät am Abend, und
dank des Schnees und der Tatsache, dass heute Weihnachten war, herrschte nur wenig Verkehr. Aber so schnell er auch fuhr, die dunklen Gestalten rückten immer näher. Sie rannten mit einer unheimlichen, stillen Grazie. Mit jedem Schritt übersprangen sie mehrere Meter; wie schwarze Flügel flatterten die langen Mäntel hinter ihnen her. Als das Auto um eine Ecke bog, prallte es gegen einen geparkten Lieferwagen. Um auszuweichen, sprangen zwei der Gestalten in die Luft und klammerten sich an die Fassade eines Hauses. Der alte Mann warf einen Blick in den Rückspiegel und sah, dass seine Verfolger wie riesige Spinnen an den Häuserfronten entlangkrabbelten.
    Er zeigte keine Überraschung, aber er trat das Gaspedal ganz durch.
    Das Auto schoss über einen Platz, an einer Gruppe Kirchgänger vorbei, die gerade aus der Mitternachtsmesse kamen. Der Mann war in den alten Teil der Stadt gefahren und der Wagen holperte über die Pflastersteine. Auf dem Rücksitz schliefen die Kinder tief und fest. Eine der Gestalten stieß sich von einer braunen Sandsteinfassade ab und landete mit einem donnernden Knall auf dem Wagendach. Einen Moment später stieß eine bleiche Faust von oben durch das Dach und fing an, das Metall wegzuschälen. Ein zweiter Angreifer packte das Heck des Autos und bohrte seine Fersen in den Boden, wobei er zwei tiefe Scharten in die jahrhundertealten Pflastersteine riss.
    »Noch ein bisschen«, murmelte der Mann. »Nur noch ein bisschen weiter.«
    Sie kamen in einen Park, weiß von Schnee und menschenleer. Der Wagen glitt über den gefrorenen Boden. Direkt vor sich
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