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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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aber in Wahrheit, um auf dem Anwesen eines Privatmannes in Florida Schwäne zu jagen, die er aus nächster Nähe mit einem irren Grinsen auf dem Gesicht abknallte –, nahm die Pfeife aus dem Mund und gab ein nachdenkliches »hm« von sich. Er hatte ganz deutlich gehört, was sie gesagt hatte: nicht »ein Kind«, sondern »ein paar Kinder«. Aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es sinnlos war, die direkte Konfrontation mit seiner Frau zu suchen. Stattdessen versuchte er es mit einer Mischung aus gespielter Ahnungslosigkeit und Schmeichelei.
    »Liebes, das ist eine fantastische Idee. Du wärst bestimmt eine wunderbare Mutter. Ja, lass uns ein Kind adoptieren.«
    Mrs Lovestock schaute ihren Mann scharf an. »Versuche nicht, mich auf den Arm zu nehmen, Gerald. Ich habe nicht die Absicht, bloß ein Kind zu adoptieren. Das wäre doch die ganze Mühe nicht wert. Ich denke, ich werde mit dreien anfangen. « Dann stand sie auf und gab ihm damit zu verstehen, dass die Diskussion beendet war. Mit hocherhobenem Kopf stolzierte sie aus dem Zimmer.

    Mr Lovestock seufzte, steckte sich die Pfeife wieder in den Mundwinkel und fragte sich, ob es einen Ort gab, wo er im Sommer vielleicht Kinder jagen konnte.
    Vermutlich nicht, dachte er, und widmete sich wieder seiner Zeitung.
     
     
    »Das ist eure letzte Chance.«
    Kate saß vor Miss Crumleys Schreibtisch in deren Büro im Nordturm des Edgar-Allan-Poe-Waisenhauses für schwer erziehbare Kinder. Das Gebäude war jahrhundertelang ein Waffenarsenal gewesen. Im Winter fegte der Wind durch die löchrigen Wände, klapperte an den Fensterläden und ließ das Wasser in den Toiletten zu Eis gefrieren. Miss Crumleys Büro war der einzige Raum, in dem geheizt wurde. Kate hoffte, dass sich die Leiterin des Waisenhauses mit dem, was sie zu sagen hatte, viel Zeit ließ.
    »Ich scherze nicht, junge Dame.« Miss Crumley war eine kurzbeinige, dickliche Frau mit einem Berg zartlilafarbenen Haars. Während sie mit Kate sprach, nahm sie sich ein Bonbon aus der Schale auf ihrem Schreibtisch. Die Bonbons waren nicht für die Kinder gedacht. Als sie im Waisenhaus eintrafen, hatte ihnen Miss Crumley eine Liste aufgezählt, was man durfte und was nicht – Letzteres war deutlich in der Überzahl – , und währenddessen hatte sich Michael ein Pfefferminzbonbon genommen. Zur Strafe musste er eine Woche lang kalt duschen. »Sie hat nicht gesagt, dass ich es nicht nehmen darf«, beschwerte er sich. »Woher hätte ich das wissen sollen?«
    Miss Crumley schob sich das Bonbon in den Mund. »Danach ist Schluss. Aus. Ende. Wenn du und deine Geschwister nicht
den bestmöglichen Eindruck macht, damit diese Dame euch adoptiert, nun …« Sie saugte an ihrem Bonbon und suchte nach den wirkungsvollsten Worten für ihre Drohung. »Nun, dann kann ich nichts mehr für euch tun.«
    »Wer ist sie?«, fragte Kate.
    »Wer sie ist?!« Miss Crumleys Augen weiteten sich ungläubig.
    »Ich meine, wie ist sie denn so?«
    »Wer ist sie? Wie ist sie?« Heftig saugte Miss Crumley an dem Bonbon. Der Zorn trieb ihre Wangenmuskeln zu Höchstleistungen. »Diese Frau…« Sie verstummte. Kate wartete. Aber es kam nichts mehr. Stattdessen wurde Miss Crumley krebsrot. Sie würgte.
    Den Bruchteil einer Sekunde lang – vielleicht doch etwas länger, sagen wir … drei Sekunden lang – dachte Kate über die Möglichkeit nach, einfach zuzuschauen, wie Miss Crumley erstickte. Dann sprang sie auf, rannte um sie herum und klopfte ihr auf den Rücken.
    Ein schleimiger grüner Klumpen flog aus Miss Crumleys Mund und landete auf dem Schreibtisch. Sie wandte sich schwer atmend zu Kate, das Gesicht immer noch feuerrot. Kate wusste, dass sie keinen Dank erwarten konnte.
    »Sie ist …«, keuchte Miss Crumley, »eine Frau, die drei Kinder adoptieren will. Am liebsten drei Geschwister. Das ist alles, was ihr wissen müsst. Wer sie ist! Diese Anmaßung! Geh und suche deine Geschwister. Sieh zu, dass sie sich waschen und ihre besten Kleider anziehen. Die Dame wird in einer Stunde hier sein. Und wenn einer von euch irgendetwas anstellt … dann gnade euch Gott.« Sie nahm das angelutschte Bonbon und warf es sich wieder in den Mund. »Dann kann ich für nichts mehr garantieren.«
Als Kate von Miss Crumleys Büro aus die enge Wendeltreppe nach unten stieg, zog sie ihren dünnen Pullover enger um sich. Wenn Erwachsene Kate das erste Mal sahen, bemerkten sie stets, wie außergewöhnlich hübsch sie war, mit ihren dunkelblonden Haaren und den
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