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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp
Autoren: Theodor Fontane
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schwebte, wenn es nicht gelang, einen breiten Zwischenraum zu schaffen, und Baltzer Bocholt, der wohl erkannte, daß er um des Ganzen willen einen Einsatz nicht scheuen dürfe, wies jetzt, als er seine Holzschläger und Schindelspeller um sich versammelt sah, auf die Stelle hin, wo seiner Meinung nach der Schnitt gemacht und die vorspringende Spitze von dem eigentlichen Gebreite des Waldes abgetrennt werden mußte. »Vorwärts!« Und nicht lange, so hörte man den Schlag der Axt und das Krachen und Stürzen der Bäume, die, wenn kaum erst halb angeschlagen, an langen Stricken niedergerissen wurden. Und eine kleine Weile noch, so gab es auch Wasser oder doch die Gelegenheit dazu, denn aus dem Tale herauf, von Diegels Mühle her, erschien eben jetzt eine Schlittenschleife, die mit Schaufeln und Spaten, mit Eimern und Kesseln und überhaupt mit allem bepackt worden war, dessen man unten in der Eile hatte habhaft werden können; und während einige der Leute sofort sich anschickten, mit Stangen und Feuerhaken ein paar brennende Balken aus der Feuermasse herauszureißen, schleppten andere die Kessel, große und kleine, vom Schlitten her in die Glut und schippten den umherliegenden Schnee hinein. Und wieder andere waren, die hockten um die Kessel her und trugen den Schnee, wenn er geschmolzen, in Butten und Eimern an die nebenstehende Spritze, deren erster Strahl eben jetzt in die Glutmasse niederfiel. Aber der Heidereiter, unschwer erkennend, daß an der Muthe Haus wenig gelegen und noch weniger zu retten war, schrie mit lauter Stimme dazwischen: »Unsinn! hierher!«, und gehorsam seinem Kommando, packten alle, die zur Hand waren, nach der Spritzendeichsel und jagten über die verschneiten Baumstubben fort, bis sie dicht an der Waldecke hielten, an eben jener bedrohtesten Stelle, wo der angeglühte Schnee bereits von den Zweigen zu tropfen anfing.
    Und Hilde starrte wie benommen in das mit jedem Augenblicke sich neu gestaltende Bild, das, alles sonstigen Wechsels ungeachtet, in drei fest und unverändert bleibenden Farbenstufen vor ihr lag: am weitesten zurück die schwarze Schattenmasse des Waldes,
vor
dem Walde das Feuer und
vor
dem Feuer der Schnee.
    Über dem Ganzen aber der Sternenhimmel.
    Und sie sah hinauf, und die Engel stiegen auf und nieder. Und es war wieder ein Singen und Klingen, und die Wirklichkeit der Dinge schwand ihr hin in Bild und Traum.
    Und so stand sie noch, als sie drüben ein Rufen und Schreien hörte, vor dem ihr Traum zerrann, und als sie wieder hinblickte, sah sie, daß das brennende Haus in ein Wanken und Schwanken kam und im nächsten Augenblicke jäh zusammenstürzte.
    Die Funken flogen himmelan und verloren sich in den Sternen.
    Eine Minute lang folgte sie noch wie geblendet dem Schauspiel, während sie zugleich das in die Höhe gerichtete Auge mit ihrer Hand zu schützen suchte. Dann aber ließ sie die Hand wieder fallen und sagte: »Komm, Grissel, mich friert. Und es ist nun alles vorbei.«
     
Viertes Kapitel
     
Hilde kommt in die Schule
    Baltzer Bocholt hatte die beiden wohl gesehen, aber er sagte nichts, als er eine Stunde später heimkam, und schwieg auch am anderen Tage beim Frühstück. Er sah nur Hilden scharf an, und erst als diese wieder fort war und Grissel die Teller abräumte, von denen man die Morgensuppe gegessen, warf er im Vorübergehen hin: »Ihr waret also
doch
da?«
    »Ja. Die Hilde wollt es, und als ich es ihr abschlug und ihr sagte, Ihr hättet es verboten, da lief sie fort, wie sie ging und stand. Und da mußt ich ihr alles versprechen. Und ein wahres Glück noch, daß ich sie wieder ins Haus brachte; sie hätte ja den Tod gehabt ohne Mantel und dicke Schuhe. Und im Ostwind und durch den Schnee.«
    »So, so«, sagte Baltzer und trommelte an die Scheiben. »Sie kann also auch ungehorsam sein. Sieh, Grissel, das gefällt mir. Der Mensch muß gehorchen, das ist das erste, sonst taugt er nichts. Aber das zweite ist, er muß
nicht
gehorchen, sonst taugt er auch nichts. Wer immer gehorcht, das ist ein fauler Knecht, und ist ohne Lust und Liebe und ohne Kraft und Mut. Aber wer eine rechte Lust und Liebe hat, der hat auch einen Willen. Und wer einen Willen hat, der will auch mal anders, als andere wollen.«
    So verging der Tag, ohne daß von dem Feuer gesprochen worden wäre, und erst am Abend, als Grissel und Hilde wieder auf ihrer Giebelstube waren, sagte erstere: »Bist du traurig, Hilde?«
    »Nein.«
    »Aber du sprichst nicht. Und es war doch euer Haus, und du wolltest
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