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Elkes Sommer im Sonnenhof

Elkes Sommer im Sonnenhof

Titel: Elkes Sommer im Sonnenhof
Autoren: Emma Gündel
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alles
überstanden. Elke fühlte sich wie von einer Bergeslast befreit. Fast ungläubig
sah sie ihren Retter an. Sie konnte kaum fassen, daß all das Schreckliche
vorbei war, und erst recht nicht, daß es Max gewesen war, der ihr geholfen
hatte.
    Ein Weilchen später saßen die Kinder
nebeneinander am Rande einer Kleewiese.
    „Der Ochse hätte mich auf spießen können!“ sagte
Elke.
    „Ja, das hätte er“, antwortete Max, „wenn er es
gewollt hätte.“
    „Du hast mich gerettet!“
    „Vielleicht wollte der Ochse dich gar nicht
aufspießen.“
    „Er sah aber ganz so aus“, meinte Elke.
    „Ja, aussehen tat er eigentlich so.“
    „Bist du gar nicht bange gewesen?“ Elke sah den
Jungen neben sich prüfend an. Max war etwa zehn, elf Jahre alt, hochaufgeschossen
und sehr mager. Seine Augenlider hatten rötliche, entzündet aussehende Ränder.
    Max beantwortete Elkes Frage nicht, sondern
zuckte nur die Schultern.
    Dann fuhr Elke fort: „Als ich sah, daß du es
warst, habe ich gedacht, daß du mir nicht helfen würdest.“
    Max verzog den Mund, halb unwillig, halb
verächtlich: „Ihr Reichen denkt immer, daß wir ändern nichts taugen!“
    Elke war von dieser Antwort sehr überrascht. „Ich
habe gemeint, daß du mir nicht helfen würdest, weil ich dich damals
festgehalten habe“, sagte sie.
    Wiederum gab Max keine Antwort. Aber da auch
Elke nun schwieg, sagte er nach einer Weile: „Das mit dem Tau habe ich wegen
Achim gemacht. Ich hasse Achim. Ich habe gewußt, welchen Weg er immer nach
Hause reitet, und da habe ich das Tau gespannt, damit er hinfallen sollte.“
    „Es hätte schlimm auslaufen können!“ gab Elke zu
bedenken.
    „Das wäre mir einerlei gewesen!“
    Vor Elke tat sich eine neue Welt auf. So wie Max
hatte sie in ihrem behüteten Leben noch nie jemand sprechen hören. Ganz
erschrocken fragte sie: „Wenn Achim ein Bein gebrochen hätte oder vielleicht
auch noch einen Arm dazu — das hätte dir nicht leid getan?“
    „Nee, gar nicht!“ sagte Max kalt.
    „Das ist unerhört von dir! Achim hat dir nichts
getan!“
    „Woher weißt du das?“
    „Was hat er dir denn getan?“ In Elkes Augen
blitzte es.
    Max wühlte mit seiner Zunge an den Bachen, so
daß kleine Beulen entstanden, antwortete aber nicht.
    „Ich muß wissen, was Achim dir getan hat!“
wiederholte Elke. „Du hast mich vor dem Ochsen gerettet, und das ist sehr nett
von dir gewesen. Du mußt mir sagen, was Achim dir getan hat!“
    Max ließ die Unterlippe hängen und sah Elke an.
Dann schüttelte er den Kopf. „Nee, du bist doch auch so eine.“
    „Was für eine?“ fragte Elke. „Ach so, ich
verstehe schon. So’n Quatsch! Ich kann doch nichts dafür, daß mein Vater mehr
Geld verdient als deiner. Emilies Vater verdient überhaupt nichts, aber sie hat
noch nie so was zu mir gesagt wie du.“
    „Emilie laßt ihr ja auch immer mitspielen!“
    Elke ließ überrascht den Grashalm sinken, den
sie angefangen hatte zu zerpflücken. „Möchtest du denn gern mitspielen?“
    „Als ihr eure Wasserpferde neu hattet, da habe
ich jeden Tag in der Badehose dagestanden und zugeguckt und wollte so furchtbar
gern auch mal ‘n bißchen drauf reiten. Achim hat das wohl gesehen und hat immer
so stolz zu mir ‘rübergeguckt, aber niemals hat er gesagt, daß ich auch mal
könnte!“
    Elke sah nachdenklich vor sich hin und sagte
dann: „Ja, wenn du immer so gestanden hast und wolltest so furchtbar gern
mitmachen — das kann ich verstehen, daß du dich da geärgert hast.“
    „Mein Vater sagt, daß das genauso ist, wie wenn
einer ein großes Schinkenbrot ißt, und ein Armer steht dabei und ist hungrig.“
    „Dein Vater sollte lieber nicht immer seinen
halben Lohn vertrinken!“ erklärte Elke etwas hitzig. „Doch, das tut er! Das hat
deine Mutter selber zu Frau Wendel gesagt! Aber wenn wir gewußt hätten, daß du
gern mit auf den Wasserpferden reiten wolltest, dann hättest du es ruhig tun
können!“
    „Achim erlaubt das nicht.“
    „Bitte sehr — die Schwimmpferde gehören mir! Ich
habe sie zum Geburtstag gekriegt. Wenn ich sage, daß du mitschwimmen sollst,
dann darfst du das.“
    „Ja, aber —“, sagte Max nun etwas kläglich.
    „Was, aber?“ fragte Elke.
    „Ich habe doch nun das mit dem Tau gemacht!“
    „Das hast du ja deshalb gemacht, weil Achim dir
was getan hat.“
    „Mehr hat er mir nicht getan“, sagte Max darauf.
    „Mehr nicht? Vorhin hast du gesagt, daß es dir
nicht leid getan hätte, wenn Achim das Bein
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