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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das
Autoren: Wolfgang Brenner
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dich nicht wundern, dass ich nicht mit
     dir ins Bett gehe«, schimpfte sie. »Und meinem Papa sage ich das auch. Bin mal gespannt, ob er dir dann immer noch sonntags
     nach dem Mittagessen eine Zigarre in seiner Bibliothek anbietet.«
    »Erstens hat er keine Bibliothek, sondern nur ein etwa sechzig Zentimeter breites Bücherbrett mit Reader’s-Digest-Auswahlbänden,
     gleich neben dem röhrenden Hirschen«, parierte Schmalenbach – nun ebenfalls kämpferisch geworden, wie immer wenn sie seine
     zur Versöhnung gereichte, verschwitzte Hand so gefühllos abschlug. »Und zweitens habe ich für mein Lebtag noch keine Zigarre
     geraucht. Trotzdem versucht dein alter Herr seit fünfzehn Jahren, mir die gleiche ausgetrocknete Flöte anzudrehen.«
    »Mein Papa gibt sich seit fünfzehn Jahren alle Mühe mit dir, du aber erteilst dem armen, alten Mann mit seiner letzten Zigarre
     regelmäßig eine Abfuhr. Du bist einfach unsensibel, und unsensible Männer dämpfen meine Liquidität.«
    »Libido heißt das, Elke! Liquidität ist was anderes.«
    Elke fuhr hoch: »Ich kenne meinen Körper besser als du. Unterlass also deine Spitzfindigkeiten!«
    »Das sind keine Spitzfindigkeiten, das ist pure Semantik.«
    »Als ob du davon mehr verstehen würdest als ich! Ich habe schließlich mit vierzehn meinen ersten Verkehr gehabt. Du mit einunddreißig!
     Mit mir!«
    »Das ist eine gemeine Unterstellung!«, schrie Schmalenbach.
    »Dann lass diese Belästigungen mit Fremdwörtern.«
    »Ich belästige dich nicht, ich korrigiere dich. Du solltest dankbar dafür sein, Elke. Sonst tut das nämlich niemand. Die lassen
     dich einfach quatschen und lachen sich hinter deinem Rücken schief.«
    Das traf Elke nun wirklich, Schmalenbach kannte seine Freundin gut. Sie zischte: »Jungs renommieren halt gerne mit Fremdwörtern
     den Mädels gegenüber – vor allem wenn sie impotent sind.«
    »ICH BIN NICHT IMPOTENT!«, schrie Schmalenbach. »Du schläfst nicht mit mir. Wenn du es tun würdest, würdest du sehen, dass
     ich alles andere als impotent bin.«
    »Weiß man’s?«, zirpte Elke.
    Schmalenbach seufzte. »Im Übrigen bin ich kein Junge mehr, und du bist kein Mädel mehr. Wenn man über vierzig ist und so redet,
     macht man sich lächerlich, Elke!«
    »Wer ist wohl lächerlicher: Ein Mittvierziger, der ständig mit Fremdwörtern vertuschen will, dass er impotent ist, oder eine
     junge, selbstbewusste Frau, die sich seinem Drängen nach Sex widersetzt?«
    Schmalenbach lies kraftlos seinen Kopf sinken. »Warum schläfst du nicht mit mir?«, jammerte er.
    Elke stellte die Talkshow wieder lauter und antwortete: »Weil ich nicht will, basta!«
    Im gleichen Augenblick aber brach es aus ihr heraus, die lange unterdrückten Gefühle, die innere Wärme, die durch ihr kaltes
     Äußeres verdeckt worden war. Elke schluchzte. Dann rannen ihr dicke Tränen über beide Wangen, sie brach in ein kindliches
     Weinen aus. Schmalenbach nahm sie in den Arm. Er strich ihr sanft über die Haare. Er hauchte ihr einen väterlichen Kuss auf
     die Stirn. »Meine Arme«, sagte er unendlich leise. »Ich wusste ja nicht, ich wusste nicht, dass du viel, viel mehr unter dieser
     vertrackten Situation leidest als ich.« Er reichte ihr ein Taschentuch.
    »Ich wusste, dass du mich verstehst«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Das ist es ja auch, was uns zusammenhält, dass du
     trotz deiner rauen Schale Mitgefühl für eine Frau hast. Für das Leiden.«
    »Jaaaaa!«, sagte Schmalenbach und drückte seine Elke ganz fest an sich. In diesem Moment war alles Fleischliche, waren die
     bitteren Nächte auf der Couch, das kalte, ungestillte Verlangen des Mannes nach dem Körper der Frau ausgelöscht. Zwischen
     Schmalenbach und seiner Elke war nur noch ein tiefes, ein körperloses Verständnis. Und Schmalenbach war stolz auf sich, er
     war stolz darauf, dass er es geschafft hatte, seine plumpen Triebe zu sublimieren, sie zurückzusetzen in das Reich des Vorbewussten,
     ihnen einen Verweis der Vernunft im Namen echter Gefühle zu erteilen.
    Er seufzte – diesmal war es ein freier, ein ehrlicher Seufzer des ungebundenen Geistes. »Aber dennoch«, sprach er dann mit
     dem Tremolo des alles verstehenden und alles verzeihenden, des reifen Partners. »Dennoch sollten wir darüber reden. Das hilft
     dir, Elke, glaube mir!«
    Elke schniefte noch, dann begann sie zaghaft: »Ich weiß es ja auch erst seit heute Abend. Aber nichtsdestoweniger hat es mein
     tiefstes Inneres berührt. Es ist
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