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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das
Autoren: Wolfgang Brenner
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interessieren würden.«
    »Ich weiß: Du liest nur die Sonderangebotsbeilagen der Supermärkte. Ich aber interessiere mich dafür, was die Menschen kulturell
     umtreibt. Ich bin ein kreativer, sensibler, weltoffener Mensch. Und dich interessiert nur, ob Martin Walser einen Waschbrettbauch
     hat und wie potent Andy Warhol war.«
    »Wer ist Martin Walser?«
    Und diese Frau enthielt ihm sein Feuilleton vor. War ihre Beziehung nicht ein Irrtum des Schicksals, eine sozialeMutation? »Du weißt nicht einmal, wer Martin Walser ist, willst mir aber vorschreiben, welche Zeitungsseiten ich zu lesen
     habe.«
    Elke grinste ihn frech an. »Das war nur ein Witz. Ich wollte dich wütend machen. Du bist immer so putzig, wenn du wütend bist.
     Natürlich weiß ich, wer Martin Walser ist   …«
    »Soso. Dann nenne mir doch mal schnell zehn seiner Bücher! Mit Erscheinungsjahr!«
    »Du weißt ja nicht einmal wo das Feuilleton deiner Zeitung geblieben ist. Also spiele hier nicht den Besserwisser, Schmalenbach!«
    Das genügte. Schmalenbach sprang auf und suchte die Wohnung ab. Ohne Erfolg. Sein Feuilleton war einfach nicht aufzufinden.
     Nirgendwo. Nicht mal auf der Toilette. »Vielleicht hat dir dein Zeitungsverkäufer eine Zeitung angedreht, bei der das Feuilleton
     fehlt«, flötete Elke.
    Angesichts solcher Indolenz kochte Schmalenbach vor Wut. »Wenn es auch nur einen Menschen auf dieser Welt gibt, der ansatzweise
     versteht, was mich umtreibt, dann ist das mein Zeitungsverkäufer«, fuhr er sie an. »Aber die Bösartigkeit deiner Reaktion
     auf die höfliche Frage nach dem Verbleib meines Feuilletons   …«
    »Von höflich kann ja wohl keine Rede sein.«
    »…   bestärkt mich darin zu glauben, dass du mein Feuilleton hast verschwinden lassen.«
    Elke tat so, als falle sie aus allen Wolken. »Ich? Warum sollte ich das tun?«
    Darauf gab es nur eine Antwort: »Weil du neidisch bist!«
    »Neidisch? Ich? Auf dein Feuilleton. Auf dem Wochenmarkt sind das die Seiten, die zuerst dazu benutzt werden,die Fischabfälle einzuwickeln. Und darauf sollte ich neidisch sein   …«
    »Du bist neidisch, weil du es nicht ertragen kannst, dass ich in aller Ruhe mein Feuilleton studiere, mich verliere in der
     wunderbaren Welt der Kultur, während du nichts, aber auch rein gar nichts mit dir anzufangen weißt, sobald du deine Zehennägel
     lackiert hast und alle Hackfleischsonderangebote durchgegangen bist.« Das musste einfach mal gesagt werden.
    Elke schwieg. Das zeigte Schmalenbach, dass er genau den richtigen Ton angeschlagen hatte: souverän, nachdrücklich, aber nicht
     beleidigend.
    »Also zum letzten Mal: Wo ist mein Feuilleton abgeblieben?!«
    Elke widmete sich wieder ihren Zehennägeln. »Vielleicht ist es mit dem Immobilienteil in den Müll gewandert.«
    Jetzt kam man der Sache schon näher. »Und wieso landet der Immobilienteil im Müll? Nur weil du dir keine Eigentumswohnung
     leisten kannst – mit deinem kläglichen Sekretärinnengehalt?«
    »Nein, weil du ihn nicht liest.«
    »Und die Gefahr, dass dabei das Feuilleton mit entsorgt wird, bevor ich es gelesen habe, spielt wohl keine so große Rolle,
     was?«
    Elke hauchte ihre frisch lackierten Zehennägel an. »Wenn ich in diesem Haushalt nur Dinge tun würde, bei denen keine Gefahr
     besteht, dass du sie falsch verstehst, würden wir beide verhungern oder im Dreck ersticken.«
    »Aha, mein Feuilleton hat also deinen Hausfraueninstinkt gereizt?«, tobte Schmalenbach. »Was verschwindetdenn auf diese Art als Nächstes: Meine Kontoauszüge? Meine Sparbücher? Oder unser Ehevertrag?«
    »Ehevertrag? Wir sind doch gar nicht verheiratet.«
    Typisch. Wenn es eng wurde, verlegte sie sich immer auf Haarspaltereien. Schmalenbach hatte genug von der fruchtlosen Diskussion.
     Er ging in die Küche und inspizierte den Mülleimer. Dort fand er wirklich den Immobilienteil. Ungelesen weggeworfen. Sein
     Feuilleton war nicht dabei. Er wühlte tiefer und tiefer. Unter alten Filtertüten und zusammengeknülltem Küchenrollenpapier.
     Und wirklich, ganz, ganz unten stieß er auf – sein Feuilleton. Sein Herz schlug höher, als er den Aufmacherartikel über die
     Riemenschneider-Ausstellung in Bad Bertrich entdeckte. Sofort las er sich fest – und angesichts der schönen und gewaltigen
     Dinge erholte sich seine Seele von der profanen Auseinandersetzung mit dieser geistlosen Person. Er atmete wieder freier –
     und schwor sich, die Riemenschneider-Ausstellung nicht zu verpassen, selbst wenn
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