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Elke im Seewind

Elke im Seewind

Titel: Elke im Seewind
Autoren: Emma Gündel
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unternommen werden, aber für die meisten Kinder langt die Zeit nicht. Sie würden zu spät zum Abendbrot nach Hause kommen. Außerdem liegt es mit der Ebbe nicht günstig. Gegen sechs Uhr herum ist das Wasser noch nicht genug abgelaufen, und sie möchten doch gerade gern über den trockenen Schlick gehen und Quallen und Taschenkrebse finden, kleine Fische in den übriggebliebenen Wasserpfützen, und sehen, wie die Hunderte von Möwen und Strandläufern und Austernfischern und Regenpfeifern — und wie sie sonst noch alle heißen — übers Watt laufen und sich Futter suchen.
    Der nächste Tag, der Montag, beginnt für unsere vier verhältnismäßig früh. Schon vor acht Uhr sind sie bei dem Fischhändler in Steenodde, Mutter Puls — Hektors Herrin, die der schimpfende Fischhändler damals einen Teufel genannt hat — ist noch in der Nachtjacke. Das stört die gute Frau aber gar nicht. Sehr verwundert ist sie allerdings darüber, daß die Kinder geräucherte Makrelen kaufen möchten. Was — heute am Montag geräucherte Makrelen? Sie räuchern doch nicht sonntags, und alte Ware verkaufen sie nicht. Die Mädel entschließen sich dann dazu, frische Makrelen zu nehmen. Es sind wunderschöne, große Fische, und Elke findet, sie sehen auch so hübsch aus — grün mit dem regelmäßigen schwarzen Fleckenmuster. Das ist alles richtig, aber in Hamburg, wo diese erfreulichen Tiere zu Geschenken gemacht werden sollen, gibt es doch Fische in Hülle und Fülle billig zu kaufen Es lohnt sich gar nicht, derlei Geschenkpakete mit auf die weite Fahrt zu nehmen. Außerdem werden die Kinder erst morgen abend damit nach Hause kommen, die Fische werden alt, vielleicht sogar schlecht. Aber das bedenken unsere Mädel nicht. Na, auch so was muß man ja erst im Leben lernen.
    Hektor hat an diesem Morgen schlechte Laune. Er sitzt in seiner großen Kiste neben dem Küchenherd, und als Elke den Versuch macht, ihn zu streicheln, fletscht er die Zähne. „Laß ihn man in Ruhe“, sagt sein Herr zu Elke. „Er mag seine Kartoffeln mit Buttermilch nicht.“
    „Weil er immer nur gebratenen Fisch haben will, der hohe Herr!“ fällt die Frau ein. „Aber er kriegt diesmal keinen, und darüber ärgert er sich.“
    Ein wenig später verläßt die Fischhändlerin die Küche, um den Kindern die gekauften und bereits bezahlten Makrelen abzuwiegen. Ihr Mann grinst spitzbübisch hinter ihr her und sagt dann leise: „Ich hab’ ihm gestern welche von unseren gebratenen Fischen versteckt — das hat die Alte gar nicht gemerkt. Wenn sie stur bleibt und er soll durchaus sein Schweinefutter da auffressen, dann geb’ ich ihm heimlich, was ich für ihn aufbewahrt hab’ — pikfeinen Seeaal! Den frißt er für sein Leben gern. Und die Kartoffeln und Buttermilch geb’ ich dem Schwein.’
    Als die alte Frau in ihrer rosa Nachtjacke wieder in die Küche zurückkehrt, sagt ihr Mann scheinheilig zu dem Hund: „Nun friß doch man bloß. Du mußt doch Hunger haben.“ Dabei hält er Hektor den Napf mit den Buttermilchkartoffeln dicht vor die Nase. Hektor wendet geringschätzig den Kopf weg, brummt aber durchaus nicht, er schlägt vielmehr frohbewegt seinen großen, buschigen Schwanz hin und her. Ganz offenbar kann er die Gedanken seines Herrn lesen. Oder aber die Geschichte, die sich heute morgen abspielt, hat sich bereits häufiger zugetragen, und Hektor weiß aus Erfahrung, wie so ein Unternehmen endigt.
    Das herrliche Wattlaufen, zu dem unsere vier tüchtigen Makrelenkäufer pünktlich um viertel nach neun bei dem Bauernhaus von Burmester mit sechs anderen Kindern Zusammentreffen, geht für Katje leider etwas unglücklich aus. In einer langen Reihe eingehakt, marschieren zunächst alle zusammen über das rippelige Sandwatt weg, und es gibt viel Spaß. Die Kinder suchen sich gegenseitig in Wasserlöcher hineinzuzerren oder sie unternehmen es, alle zusammen gleichzeitig über kleine Priele zu springen — die Hauptsache ist, es gibt was zu schubsen und zu lachen. Wie hübsch an diesem Vormittag die seidig flimmernde Luft über dem Watt schwebt, bemerkt keines von ihnen.
    Aber die erhofften Taschenkrebse und Quallen und Seesterne und die kleinen Fische, die in den Wasserpfützen herumzappeln, die entgehen ihren Blicken nicht, und als sie schließlich genug davon haben, in einer geschlossenen Reihe zu gehen, lösen sie sich in einzelne Grüppchen auf. Bald danach erlebt Katje ihr kleines Unglück: Eine frisch zerbrochene Flasche liegt im Schlick. Der Meeresboden
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