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Elke im Seewind

Elke im Seewind

Titel: Elke im Seewind
Autoren: Emma Gündel
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Spaß beim Baden, aber bei ruhiger See kann man hinausschwimmen ins Meer, und das ist auch schön. Vor allen Dingen haben unsere Ferienkinder es in diesen Wochen überhaupt noch nicht erlebt, daß kein Wind ging. Ach, ist das heute ein schöner Sonntagmorgen! Die Lerchen steigen über der Heide auf und klettern trillernd und flügelschlagend immer höher in die stille, blaue Luft. Bis heute haben die Kinder überhaupt noch nicht gewußt, daß es auf Amrum auch Lerchen gibt. Stare, ja, das wußten sie. Stare haben sie oft gesehen, wenn die im Dorf auf den Lichtleitungen aufgereiht saßen oder wenn sie sich in der Heide Moos- und Krähenbeeren suchten. Aber Lerchen? Heute morgen jubeln Lerchen über der Heide, und das ist plötzlich eine ganz neue Welt.
    Eine Enttäuschung bedeutet es für die Kinder — leider ist das so —, daß sie auch heute, an ihrem letzten Sonntag, mit der alten Frau Brunkhorst und mit Fräulein Brunkhorst in die Kirche gehen müssen. Es wäre doch viel schöner, sie könnten schon zum Baden gehen wie die meisten anderen Kinder. Sie haben doch nur noch heute und morgen Zeit für die schöne See. Richtig ein bißchen muckschig sehen unsere vier aus, als sie hinter den schwarzgekleideten Damen herziehen. Sie verabreden, daß sie heute und morgen auf keinen Fall zu Mittag schlafen wollen, sonst geht ja zu entsetzlich viel Zeit verloren.
    Ja, die Mittagsruhe darf für sie an diesen beiden Tagen ausfallen. Das wird ihnen von Fräulein Brunkhorst zugesagt, noch bevor sie in das von Glockengeläut umwallte Nebeler Kirchlein eintreten, und da machen sie wieder etwas zufriedenere Gesichter. Aber die Lehrerin weiß genau, wie es um die vier kleinen Kirchgängerinnen bestellt ist, und deshalb sagt sie auch noch zu ihnen: „Wenn ihr in der Kirche vielleicht überhaupt nicht zuhören und nicht mitsingen wollt, dann denkt wenigstens einmal fünf Minuten lang darüber nach, wofür ihr dem lieben Gott dankbar sein müßt. Gestern habt ihr für die blinden Kinder gespielt — die Kinder sind blind, müssen vielleicht für ihr ganzes Leben im Dunklen bleiben — ihr versteht schon, wie ich es meine - - Wir alle haben ja soviel, wofür wir froh und dankbar sein müssen.’
    Ruth fällt ein, was Fräulein Brunkhorst ihr damals, als sie an die andere Schule versetzt wurde, ins Poesiealbum geschrieben hat. Sie weiß die Sätze auswendig. „Dankbar sein — nur immer dankbar sein, auch für das, was man so gern als selbstverständlich hinnimmt. Nichts ist selbstverständlich. Alles Gute ist ein Geschenk Gottes.’
    Wir sehen die Nebeler Kirche nicht wieder, denkt Elke zu Beginn des Gottesdienstes und läßt ihre Augen durch den niedrigen, altertümlichen Raum wandern. Sie will sich alles noch einmal genau ansehen, damit sie Bescheid weiß, wenn ihr Vati danach fragt. An der Wand rechts, auf einem dicken Holzbalken stehen nebeneinander die zwölf Apostel und Christus in der Mitte, alle aus dunklem Holz geschnitzt. Dann der hübsche Kronleuchter, der von der Decke hängt, das große Kruzifix an der Wand bei der Kanzel, ganz hinten der bunte, dreiteilige Altar mit den Pfeifen der Orgel oben darüber — viele Jahrhunderte alt ist das alles, hat Frau Brunkhorst einmal gesagt.
    Mit dem Liede „Nun danket alle Gott“ schließt der Gottesdienst. Das paßt gut zu dem, was Fräulein Brunkhorst den Kindern zu beherzigen gab.
    Draußen auf dem Kirchhof mit seinen vielen sonderbaren Grabsteinen steht Tapsel, der Eisbär, und wartet auf Anschluß. Als er Elke sieht, springt er in begeisterter Freude um sie herum. Elke wehrt lachend ab. Er soll sie nicht anspringen. Die Abdrücke von schmutzigen Hundepfoten würden sich auf ihrem weißen Kleid nicht gerade gut machen. Schnell bückt sie sich nach einem kleinen Stück Holz, das sie liegen sieht. Sie zeigt es Tapsel und wirft es fort, damit er es sich holt und wiederbringt. Das mag er gern. Alle lachen hinter Tapsel her. Er ist in den paar Tagen, seit er die neue Herrschaft hat, ein richtiger, runder Plumpsack geworden und noch eisbärähnlicher, als er es schon war.
    Bis zum Mittagessen ist noch, eine Stunde Zeit, und die wollen die Kinder dazu verwenden, an den Wiesenrainen Gras für Boxer zu rupfen. Elkes ganzen Bademantel voll wollen sie rupfen. Wenn sie dann nach Tisch zum Baden an den Weststrand gehen, wollen sie den Weg über ihre Robinsonburg nehmen. Vielleicht finden sie Boxer dort irgendwo in der Nähe. Sie haben ihn jetzt eine ganze Reihe von Tagen nicht mehr gesehen.
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