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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen
Autoren: Sandra Worth
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Er ging zu meiner Mutter und beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen; denn obgleich sie groß war, überragte er sie um mehr als irgendein anderer Mann, den ich kannte.
    »Ach, Edward, du bist eine Prüfung für meine Geduld«, seufzte sie.
    Er kniete sich vor sie und nahm ihre Hand, als wäre er Sir Lancelot und sie seine Königin Guinevere. »Meine Liebste, verrate mir, wie ich dir ein Lächeln entlocke?«
    Ihre Lippen bogen sich ein klein wenig. »Da gibt es eine Möglichkeit, Edward.«
    »Wusste ich’s doch, dass es die gibt, Bess«, sagte er und stand wieder auf. »Es gibt immer eine.«
    Alle Freude war von ihm abgefallen, und er wirkte anders. Ich wusste nicht, woran ich es erkannte, doch ich begriff, dass etwas nicht stimmte.
    »Lass uns allein, Elizabeth!«, sagte meine Mutter.
    Ich sprang vom Bett. Meine Eltern blickten mir ernst nach, als ich das Zimmer verließ und die Tür hinter mir schloss. Auch ich empfand keinerlei Glück mehr.
    Draußen beobachteten mich die um den Tisch versammelten Adligen, die ebenfalls nicht mehr lächelten.
    ~
    Später an dem Abend kam mein Vater zu mir. Ich war in meinem Nachthemd, und die Amme bürstete mir das Haar, um mich fürs Bett bereit zu machen. »Papa!«, rief ich und eilte erfreut auf ihn zu. Er hob mich in seine starken Arme. Dort fühlte ich mich sicher. Als er mich küsste, roch sein Atem nach Wein. Mit einem Nicken bedeutete er der Amme, uns allein zu lassen. Sie machte einen Knicks, ging hinaus und schloss leise die Tür hinter sich.
    »Meine Süße, heute hatten wir es lustig, nicht?«
    Ich nickte fröhlich. »So, so viel Spaß, Papa!« Ich umarmte ihn fest und küsste ihn auf die Wange.
    »Mal amüsieren wir uns, und mal müssen wir uns gewichtiger Dinge annehmen«, sagte er und setzte sich mit mir auf den Stuhl neben meinem Bett.
    Ich schmiegte mich an ihn, einen Arm um seinen Hals, und wartete, dass er weitersprach, doch er schwieg.
    »Deine Mutter wünscht, dass ich dich nicht unterrichte«, erklärte er schließlich. »Aber ich habe entschieden, dass du es wissen solltest.«
    »Was wissen, Papa?«
    »Ich habe dich George Neville versprochen, dem Neffen des Earl of Warwick.«
    »Warwick, dem Königsmacher?«
    »Warwick«, korrigierte mein Vater. »Es ist falsch, ihn den ›Königsmacher‹ zu nennen. Ich verdanke meine Krone niemandem.«
    Papa musste spüren, wie elend ich mich fühlte, denn er küsste mich auf die Stirn und klang weicher, als er fortfuhr: »George ist ein netter Junge, ungefähr in deinem Alter. Ich bin gewiss, dass du ihn mögen wirst, und falls nicht, vergib mir bitte, Elizabeth! Ich musste es tun.«
    »Warum, Papa?«
    »Das ist schwierig zu erklären, doch ich will es versuchen. Der Earl of Warwick hat einen Bruder, der ein großer Feldherr ist. Er ist mir treu, obwohl Warwick den Aufstand gegen mich anführt.«
    »Sein Bruder, der Earl of N -North-umber-land?« Ich geriet ins Stolpern über das lange Wort, und Papa lachte.
    »Northumberland. Du bist klug für dein Alter, Elizabeth. Deine Mutter sagte, du würdest es nicht verstehen, aber das tust du sehr wohl, nicht wahr?«
    Ich nickte eifrig. Meine Mutter mochte mich nicht, weil ich ein Mädchen und kein Junge war, und sie dachte, ich wäre dumm. Dabei sagte ich nur nicht viel, denn ich hörte lieber zu. Ich streckte einen Arm aus und zog mir meine Lieblingsdecke vom Bett. Sie war aus weinrotem und blauem Samt, und wenn ich mit den Fingern über den Samt strich, beruhigte und tröstete es mich.
    »Warwick hat mir die Gefolgschaft aufgekündigt«, sagte Papa und schwieg wieder.
    Wegen Mama , ging es mir durch den Kopf, was ich jedoch nicht aussprach.
    »Und sein Bruder Northumberland führt meine Truppen«, erklärte Papa. »Er muss für mich gegen seine eigenen Leute kämpfen. Ich kann nicht darauf vertrauen, dass er es auch wirklich tut, deshalb musste ich ihm seinen Titel nehmen. Zum Ausgleich habe ich seinen Sohn mit dir verlobt, auf dass er den Eindruck gewinnt, er würde etwas Kostbares bekommen, nachdem ihm schon seine Macht genommen wurde.«
    Ich zog meine Decke dichter an mich und überlegte. Zu meiner Scham musste ich zugeben, dass ich meine Samtdecke noch zum Schlafen brauchte, auch wenn es sich für ein Mädchen von fast fünf Jahren nicht mehr ziemte. Eines aber wusste ich sicher: Meine Decke mochte ich eines Tages nicht mehr brauchen, meinen Vater aber immer. Glück erlebte ich einzig in seiner Nähe. Ich fühlte es, wenn ich auf seinem Knie saß und er mir eine
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