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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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wenigen Stunden Schlaf und streunte dann ziellos durch die Straßen der Unterstadt. Skra-Dag würde sie finden, er fand sie immer. Der Alte Drache besaß die Kontrolle über den gesamten Bezirk. Jeder Händler im Basar zahlte seinen monatlichen Obolus an die Nestsöhne und -neffen, und keiner von ihnen wagte, dagegen aufzubegehren. Nicht, nachdem der rebellische Seidenhändler Yusaf in seinem eigenen Laden gefunden worden war: eingeschnürt in Stränge kostbarster Seide, erwürgt von einem Tüchlein aus seiner Kollektion. Sein Gesicht trug das Mal des alten Drachen. Die Botschaft war im Basar verstanden worden.
    Tajo saß auf den Stufen der alten Zisterne, als Skra-Dag sie fand. Er winkte ihr wortlos, und sie folgte ihm.
    Der Alte Drache lebte in einem verfallenden Prachtbau, in dem einst der yasemitische Scha’Yas residiert hatte, der legendäre Herrscher aller yasemitischen Stämme. Das war lange her, der letzte Scha’Yas war von den Eroberern aus Ledon getötet worden, und seine Erben starben vergessen in der Fremde.
    Nach ihm hatte der ledonische Statthalter diesen Palast bewohnt, aber seit einigen Equils dehnte der Alte Drache seinen Wirkungskreis auch auf diejenigen Teile der Stadt aus, die früher allein den Menschen vorbehalten gewesen waren. Das Oberhaupt der Dkhev habe den Palast von den Ledoniern gekauft, und man erzählte sich, dass er einen Menschen, der in seinen Diensten stand, die Unterhandlungen hatte führen lassen. Ein Mensch, ein Ledonier stand in den Diensten des alten Drachen! Nicht nur Tajo bezweifelte diesen Teil der Geschichte.
    Die Dkhev waren hier, seit das Meer begonnen hatte, sich zurückzuziehen. Die Ledonier kümmerten sich nicht darum, dass sich eine zweite Herrschaft unter der ihren errichtete. Solange die Yasemiten ihre Steuern zahlten, und die Dkhev den Beamten des ledonischen Imperiums nicht ins Gehege kamen, war es leichter, sie einfach zu ignorieren oder sogar Geschäfte mit ihnen zu machen. Es war anzunehmen, dass der schlaue Alte Drache einen Teil seiner Einnahmen in die privaten Schatztruhen des ledonischen Statthalters fließen ließ, um sich die Ruhe zu erhalten.

    Skra-Dag führte sie durch den verwilderten Park, der das Gebäude umgab, bis zu einer unscheinbaren Tür auf der Rückseite. Er öffnete sie, nickte einer Wache zu, die dort vor sich hindöste, und schob Tajo ins kühle Innere des Palastes.
    Sie durchquerten endlose Hallen, Gänge, Innenhöfe und Flure, bis Tajo jegliche Orientierung verloren hatte. Endlich schob der Echsenmann sie durch eine niedrige Tür in einen mit Efeu überwucherten Innenhof. Auf einer Steinbank kauerte reglos ein alter Dkhev, die Augen unter faltigen Lidern verborgen und das Gesicht den wärmenden Strahlen der Sonne zugewandt.
    Skra-Dag räusperte sich höflich und murmelte mit einer Verneigung: »Ehrwürdiger, hier ist der Junge, nach dem du geschickt hast.«
    Der alte Mann öffnete träge die Augen und blickte Tajo an. Eine graue Zungenspitze erschien in dem lippenlosen Spalt seines Mundes und bewegte sich witternd. »Du kannst gehen, Nestsohn«, sagte er dann.
    Der Alte und Tajo musterten sich neugierig. Mukhar-Dag, der Alte Drache, war erstaunlich klein und noch stämmiger als andere Männer seines Volkes. Die Haut seines Schädels schimmerte bläulich, und die Schuppen wirkten rissig und spröde.
    »Du bist der junge Dieb, der es gewagt hat, mir Steuern schuldig zu bleiben«, eröffnete der Dkhev das Gespräch. Eines seiner kugeligen Augen fixierte Tajo, das andere rollte zur Seite, um eine Bewegung im Efeu zu beobachten.
    »Ich habe Pech gehabt«, sagte sie zögernd. »Die Börsen sitzen nicht mehr so locker, seit so viel Konkurrenz auf den Straßen …«
    Der Drache hob die Hand, und Tajo verstummte. Eine schimmernde dunkle Klaue wies auf ihre Brust. »Du kannst nicht zahlen. Du weißt, was mit Leuten geschieht, die ihre Schulden nicht begleichen können.«
    Tajos Kehle wurde eng. »Ehrwürdiger«, stammelte sie, »ich werde das Geld auftreiben, ich schwöre es.«
    »Wie willst du das anstellen? Du schuldest mir bereits vier Mhri. Bald sind es sechs. Wen willst du um seine Börse erleichtern, den Statthalter?« Er lachte, und Tajo begann zu schwitzen.
    Der Alte verlagerte seinen schweren Körper und kratzte sich nachdenklich über das Kinn. Trockene Schuppen rieselten auf sein Gewand.
    »Du wirst für mich arbeiten«, beschied er Tajo. »Karem braucht einen Nachfolger. Er wird dich unterrichten, dann sehen wir weiter.«
    Tajo
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