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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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blickte begehrlich auf die brodelnden Töpfe und fingerte an ihrer Börse herum, während sie überlegte, wie sie der Frau etwas zu essen abluchsen konnte. Zwischen ihren Fingern spürte sie etwas Hartes.
    »Was willst du?«, fragte die Köchin scharf. »Herumlungern oder etwas bestellen? Hast du überhaupt Geld?«
    Tajo schnürte resigniert die leere Börse auf. Eine runde Münze fiel ihr entgegen, die sie stumm und erstaunt anstarrte. Der alte Massuf hatte doch ein Herz, dass er ihr heimlich einen ganzen Mhred in das lederne Behältnis gesteckt hatte.
    »Ein Mhred? Dafür bekommst du einen Napf Eintopf.« Die Frau schöpfte den Napf nicht ganz voll, legte ein Stück Fladenbrot darauf und schob ihn zu Tajo hinüber.
    Tajo schaufelte den heißen, fad gewürzten Eintopf mit dem Brot in ihren Mund, ohne sich weiter über Massufs unvermutete Großzügigkeit den Kopf zu zerbrechen. Sie wischte den Napf mit einem Rest des Brotes aus, stopfte es sich in den Mund und sah die Frau hoffnungsvoll an. Die nahm den Napf und ließ ihn in einen Bottich mit fettigem Wasser fallen. Tajo seufzte und verließ die Hütte.
    Sie musste sich dringend um Geld kümmern. Vielleicht war es ihr jetzt, wo sie nicht mehr befürchten musste, dass ihr laut knurrender Magen sie verriet, im Gewühl des Basars möglich, die eine oder andere etwas fettere Börse zu ergattern. Sie lenkte ihre Schritte zur Unterstadt.
    Eine Gestalt folgte ihr. Tajo beschleunigte ihre Schritte, wurde jedoch am Arm gepackt. Erschreckt fuhr sie herum.
    »Skra-Dag«, keuchte sie. Die vier Finger des Echsenmannes
    gruben sich schmerzhaft in ihr Fleisch. Seine kugeligen Augen mit den senkrecht geschlitzten Pupillen fixierten sie reptilienhaft starr. Er lächelte. Eine bläuliche Zunge fuhr blitzschnell aus seinem Mund und leckte über seine Augen.
    »Tajo«, zischelte er. »Der Alte Drache ist enttäuscht. Du weißt, warum.«
    »Ich besorge das Geld, Skra-Dag. Sag deinem Boss, morgen oder übermorgen.«
    »Er will es heute. Du bist mit deiner Steuer schon zwei Tayfs im Rückstand. Er wird ungeduldig. Sehr ungeduldig.«
    »Morgen. Ich bringe das Geld morgen, ganz bestimmt!« Tajo riss sich los. Der Dkhev verzog seinen lippenlosen Mund zu einem erneuten Lächeln, das so kalt war wie die Hölle.
    »Du kannst dir schon mal aussuchen, was du als Pfand dalassen willst«, sagte er im Plauderton. »Einen Finger, ein Auge, eins von diesen komischen Dingern an deinem Kopf …« Er musterte Tajos Ohren.
    »Ich denke darüber nach, Skra-Dag. Ein Ohr, warum nicht. Wir können später darüber reden.« Sie warf sich herum und rannte los, verfolgt von Skra-Dags Lachen.

    Sie hatte kein Glück. Bis tief in die Nacht war sie durch die Unterstadt gestrichen und hatte nach Opfern Ausschau gehalten. Dreimal hatten ihre Finger eine fette Börse berührt, und jedes Mal war der Besitzer aufmerksam geworden, hatte sich umgewandt, gerufen, versucht, sie festzuhalten.
    Tajo hockte in einem Hauseingang und betrachtete ihre schmutzigen Finger. Der Alte Drache scherzte nicht. Wenn er einen seiner Nestsöhne aussandte, um sie zu mahnen, konnte das bedeuten, dass sie an einem der nächsten Morgen mit dem Gesicht nach unten in der städtischen Kloake schwamm. Es hatte keinen Zweck, wenn sie versuchte, sich zu verstecken. Der Alte Drache hatte seine Augen überall.
    Tajo erinnerte sich. Damals hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Geldbeutel aus einer fremden Tasche gezogen, sich damit in eine leere Gasse geflüchtet und mit zitternden Fingern ihre Beute gezählt.
    Ein Dkhev war lautlos hinter ihr aufgetaucht und hatte sie angeglotzt. Tajo hatte den geleerten Geldbeutel fortgeworfen und sich an dem Mann vorbeigedrängt, aber der hatte sie festgehalten. Und dann hatte er ihr erklärt, dass sie ab jetzt dem alten Drachen steuerpflichtig sei. Jeder Dieb in der Stadt entrichte dem Oberhaupt der Dkhev seinen Tribut, und sie bilde keine Ausnahme.
    Sie hatte zähneknirschend gezahlt. Jeden ersten Tag im Tayf suchte einer der Dkhev sie seitdem auf und kassierte zwei Mhri, was eine große Summe für eine kleine Diebin darstellte.
    Dann kam diese verfluchte Pechsträhne. Die Börsen, die sie erbeutete, waren mager oder gar leer, sie hielt sich damit am Leben, dass sie Essen stahl, Brot, Früchte. Aber der Alte Drache akzeptierte keine Naturalien, er wollte Geld.
    Sie rappelte sich auf und ließ sich nach Hause treiben. Morgen früh musste sie das Geld für den alten Drachen auftreiben.

    Sie erwachte nach
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