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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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plötzlich. Etwas unvorstellbar Schreckliches. Und es gab nichts, was sie oder irgendeine Macht auf der Welt dagegen tun konnten.
    »War es jemals dort?«, fragte sie.
    Ixchel deutete ein Kopfschütteln an. Vielleicht sah sie es auch nur, weil sie die Antwort tief in sich bereits kannte. »Nur für eine kurze Zeit. Am Anfang, in den ersten Jahren, als wir noch glaubten, unsere Heimat gegen die Dämonen verteidigen zu können, die über das große Meer kamen. Aber das konnten wir nicht.«
    Es war die Bitterkeit in ihrer Stimme, die es Pia unmöglich machte, irgendetwas darauf zu sagen; der Schmerz eines ganzen Lebens, der in diesen wenige Worten Ausdruck fand. Ein Gefühl von Endgültigkeit ergriff von ihr Besitz, das mit jedem Atemzug schlimmer wurde. Sie schwieg, bis Ixchel von sich aus weitersprach, mit leiser und brüchiger Stimme.
    »Wir hatten keine Chance. Ihre Waffen waren stärker als die unseren, ihre Magie mächtiger und ihre Götter erbarmungsloser. Unsere Krieger kämpften tapfer, aber sie konnten den Feind nicht aufhalten. Als er vor unseren Toren stand und wir die letzte unserer stolzen Städte aufgeben mussten, da entschied Kukulkan, es hierherzubringen.«
    »Kukulkan«, wiederholte Lion. »Du willst aber jetzt nicht behaupten, dass dein Gemahl tausend Jahre alt ist, oder?«
    »Kukulkan ist mein Sohn, nicht mein Gemahl«, antwortete Ixchel. Ganz kurz stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, aber es erlosch auch sofort wieder, als sie sich an Pia wandte. »An den einzigen Ort auf dieser ganzen Welt, den keiner unserer Feinde jemals betreten kann.
    »Bis heute«, vermutete Pia.
    Erstaunlicherweise schüttelte Ixchel den Kopf. »Nicht einmal alle Magie Elfenborgs und der Alten Welt zusammen könnte den Schutz des heiligen Silbers überwinden. – Du wirst es tun, mein Kind.«
    Pia starrte sie an, aber Lion polterte nach einer Schrecksekunde los: »Was wird sie tun? Dieses Wrack neu anpinseln und eigenhändig nach draußen rudern? Wohl kaum!«
    »Das ist nicht nur ein Wrack , Lion«, sagte Pia, ohne dass ihr Blick die Augen der alten Hohepriesterin losließ. »Das ist die Drakkensang . Das Schiff, mit dem Eirann selbst hier angekommen ist.«
    »Ein tausend Jahre altes Wrack?« Lion machte ein abfälliges Geräusch – oder versuchte es wenigstens. »Wen soll das beeindrucken?«
    »Torman«, antwortete Pia, bevor Ixchel es konnte. »Und Eirann und Landras und überhaupt jeden auf diesem Kontinent, der keine runden Ohren hat. Begreifst du das nicht?«
    »Nein«, antwortete Lion und sah sie auf eine Art an, die prompt ihr schlechtes Gewissen weckte, denn sie erinnerte sie an nichts mehr als den alten Jesus, den sie vor so langer Zeit und auf einer anderen Welt gekannt hatte. »Es ist doch nur ein altes Schiff !«
    »Es ist ein Symbol, Lion«, antwortete sie. »Genau wie ich.«
    Lion sah sie noch fragender an, obwohl sie spürte, dass er wohl ganz genau wusste, was sie meinte.
    »Hast du schon vergessen, was du mir selbst gesagt hast? Schon mein bloßes Erscheinen hier hat einen Krieg ausgelöst, obwohl die Hälfte von allen hier nicht einmal wirklich glaubt, dass ich die echte Gaylen bin! Was glaubst du, was passiert, wenn sie dieses Schiff in die Hände bekommen? Dann hält sie niemand mehr auf !«
    »Aber das ist doch nur ein Wrack«, beharrte Lion stur. »Wer weiß, ob es überhaupt die echte Drakkensang ist.«
    »Es ist Eiranns Schiff«, sagte Ixchel.
    »Ach ja?«, polterte Lion. »Und woher willst du das so genau wissen? Es ist tausend Jahre alt!«
    »Weil ich dabei war, als es das erste Mal zu Wasser gelassen wurde«, antwortete Ixchel mit einem sanften Lächeln. »Ich habe es gebaut, weißt du? Zumindest ... in einem gewissen Sinn.« Sie lächelte noch einmal und jetzt in Pias Richtung, machte einen einzelnen Schritt und blieb dann noch einmal stehen, um einen raschen Blick über die Schulter zurückzuwerfen. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht, als sie sich wieder zu ihr umwandte und gleichzeitig weiterging. »Und es ist weit mehr als nur ein Schiff. Es ist pure Magie. Vielleicht das mächtigste Artefakt, das diese Welt je gesehen hat. Und du wirst es entfesseln, mein Kind.«
    Pia riss die Augen auf, und Lion gab ein abfälliges Geräusch von sich (das sie ihm diesmal wirklich übel nahm), aber dann beeilte er sich, wieder zu ihnen aufzuschließen.
    Ixchel ging das kurze Stück zum Ufer hinunter, und wieder hatte Pia das Gefühl, Schatten über den unterirdischen See und den Rumpf der Drakkensang
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