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Elfenherz

Titel: Elfenherz
Autoren: Holly Black
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eine Krawatte kaufen können, ihre Mutter hätte auf dem Bürgersteig stolpern können, und keiner hätte sie erkannt.
    Wenn sie jetzt zurückblickte, wurde Val klar, dass sie den
Leuten zu gern und zu früh vertraute, dass sie zu passiv war, zu oft bereit, das Beste im Anderen zu sehen und das Schlimmste in sich selbst. Dennoch war sie hier, ließ sich wieder auf Leute ein, ließ sich mitreißen.
    Doch etwas war anders bei dem, was sie gerade tat, etwas, das sie mit einer seltsamen Freude erfüllte. Es war, als stünde sie auf einem Hochhaus, sähe nach unten, und fühlte den Kick des Adrenalins, wenn sie sich vorbeugte. Es war stark und schrecklich und total neu.
    Val verbrachte den ganzen Tag mit Lolli und Dave. Sie saßen auf dem Bürgersteig und redeten über nichts Besonderes. Dave erzählte eine Geschichte von einem Typen, der so betrunken war, dass er als Mutprobe eine Kakerlake aß. »Eine von diesen New Yorker Kakerlaken, die so groß sind wie ein Goldfisch. Das Viech hängt halb aus seinem Mund und zappelt noch, während er darauf herumbeißt. Und dann, nachdem er endlos darauf rumgekaut hat, schluckt er sie endlich runter. Und mein Bruder ist auch da - Luis, der ist knatschverrückt und hat’s echt drauf, als hätte er das Lexikon rauf und runter gelesen, als er Windpocken hatte, so schlau - und da sagt der doch glatt: ›Du weißt doch hoffentlich, dass Kakerlaken auch noch Eier legen, wenn sie schon tot sind‹. Tja, der Typ kann es einfach nicht fassen, und dann brüllt er uns an, ob wir ihn umbringen wollen, und hält sich den Bauch und behauptet, er könnte schon merken, wie sie ihn von innen auffressen.«
    »Voll fies«, sagte Val, aber sie musste so lachen, dass sie Tränen in den Augen hatte. »Supervoll fies.«

    »Wart’s nur ab, es kommt noch besser«, behauptete Lolli.
    »Allerdings«, sagte Dave. »Der Typ kotzt sich auf die Schuhe, und da ist sie, die Kakerlake, voll zerteilt, aber eindeutig in schwarzen Käferscheibchen. Und dann - bewegt sich ein Bein.«
    Val kreischte angeekelt, und dann erzählte sie ihnen die Geschichte, wie sie mit Ruth Katzenminze geraucht hatte, weil sie glaubten, davon würde man high.
    Als sie eine Clutch aus gefaktem Krokodilsleder, zwei T-Shirts und ein besticktes Jackett von der Batikdecke verkauft hatten, kaufte Dave ihnen allen einen Hotdog, den der Straßenverkäufer aus der dreckigen Brühe fischte und mit Sauerkraut, Soße und Senf ins Brötchen quetschte.
    »Komm mit, wir müssen feiern, dass wir dich gefunden haben«, sagte Lolli und sprang auf. »Dich und die Katze.«
    Mit dem Hotdog in der Hand lief Lolli los. Sie führte die anderen mehrere Blocks weit, bis sie zu einem alten Mann kamen, der auf der Treppe eines alten Wohnhauses Zigaretten drehte. Neben ihm stand eine schmutzige Tüte mit weiteren Tütchen darin. Seine Arme waren streichholzdünn und sein Gesicht so runzelig wie eine Rosine, aber er küsste Lolli auf die Wange und grüßte Val ausgesprochen höflich. Als Lolli ihm Zigaretten und ein Bündel Geldscheine gab, stand er auf und ging über die Straße.
    »Was hat er denn?«, flüsterte Val Dave zu. »Warum ist er so dünn?«
    »Durchgeknallt«, sagte Dave.
    Kurz darauf kam der Mann mit einer Flasche Kirschlikör
in einer braunen Papiertüte zurück. Dave kramte eine fast leere Colaflasche aus seiner Kuriertasche und füllte sie mit dem Likör auf. »Damit die Bullen nichts merken«, sagte er. »Ich hasse die Bullen.«
    Val nahm einen Schluck aus der Flasche und spürte, wie der Alkohol sich seinen Weg durch ihre Kehle brannte. Alle drei ließen die Flasche kreisen, als sie über die West Third liefen. Lolli blieb an einem Stand stehen, bei dem Perlenohrringe an Plastikbäumen hingen, die jedes Mal klimperten, wenn ein Auto vorbeifuhr. Sie nahm ein Armband mit winzigen Silberglöckchen in die Hand. Val ging zum nächsten Stand mit gebündelten Räucherstäbchen. Proben brannten auf einem Muscheltablett.
    »Was haben wir denn da?«, fragte der Mann hinter dem Stand. Seine Haut hatte die Farbe polierten Mahagonis und er roch nach Sandelholz.
    Val lächelte milde und wandte sich wieder Lolli zu. »Sag deinen Freunden, sie sollen aufpassen, wem sie dienen.« Die Augen des Räucherstäbchenmannes waren dunkel und glitzerten wie bei einer Eidechse. »Die Boten sind immer die ersten, die das Missfallen des Kunden zu spüren bekommen.«
    »Schon klar«, sagte Val und entfernte sich von dem Stand. Lolli hüpfte auf sie zu, Glöckchen klimperten an
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