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Elf Zentimeter

Elf Zentimeter

Titel: Elf Zentimeter
Autoren: Stefan Scheiblecker
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Hoffentlich auch lautlos.
    Der Königsweg der operativen Schwanzverlängerung ist aber offenbar das Durchtrennen der Haltebänder, die ich bei meinen ersten Massageexperimenten zu dehnen versucht hatte. Sobald der Penis aus dem Körper herausgerutscht ist, wird die Aufhängung mit körpereigenem Material erneuert. Angeblich handelt es sich dabei um einen relativ kleinen, auch ambulant durchführbaren Eingriff.
    Es sei eine sichere Methode, weil der Penis dabei nicht verletzt werde, hieß es auf der Homepage der deutschen Privatklinik. Und höchst wirksam sei der Eingriff auch, weil er dort nur von internationalen Spezialisten mit langjähriger Operationspraxis durchgeführt werde. Längengewinn: mindestens drei Zentimeter. Häufig aber auch mehr. Das wären dann vierzehn oder fünfzehn oder sechzehn. Vielleicht aber auch nur dreizehn, weil die Angaben auf solchen Seiten vermutlich immer ein bisschen übertrieben sind. Der Auftritt der Privatklinik war nicht gerade reißerisch, hundertprozentig seriös wirkte er aber auch nicht auf mich. Die Sprache war etwas salopp und schlampig.
    Im Paket mit der Verdickung durch Eigenfett kostete die Operation 8900 Euro. Als arbeitsloser Jungvater war ich pleite. Dennoch rief ich in der Klinik an. Viele große Ideen sind schon daran gescheitert, dass kleinliche Leute an der falschen Stelle gespart haben. Außerdem musste ich meinen Schwanz auch als Gesamtinvestition betrachten. Wenn ich jetzt aufgegeben hätte, wären meine Ausgaben im Sex-Shop völlig umsonst gewesen.
    Ich war bereit, noch am selben Tag aufzubrechen, doch ich bekam erst für drei Wochen später einen Beratungstermin. Bis dahin war angeblich alles ausgebucht. Womit sich mir die Frage aufdrängte, wer sonst noch dort hinfuhr und wer von meinen Mitmenschen sich sein Ding, mit dem er mir die Frauen wegnahm, maßschneidern hatte lassen. Dieter Bohlen zum Beispiel. Warum war der damals wirklich schreiend ins Badezimmer gerannt? Wegen einem Penisbruch? Oder war das Knallen davon gekommen, dass das Halteband an der operierten Stelle gerissen war? Vielleicht konnten Eigenfettimplantate bei starker Belastung ja explodieren wie Silikonbrüste im Flugzeug?
    Meine Jury würde allerdings wahrscheinlich nur die natürliche Länge abschätzen können. Nicht die nach einer Operation.

[home]
    32
    I ch löste mein Sparbuch auf und kündigte den Bausparvertrag. Einst hatten ihn meine Eltern für mich abgeschlossen, inzwischen zahlte ich selbst ein. Das Geld würde für den Eingriff reichen. Am Weg von der Bank nach Hause erreichte mich ein Anruf des Personalmanagements der Bahn. Eine Stelle am Westbahnhof war frei geworden. Ich sollte dort in Zukunft die VIP -Lounge betreuen.
    »Das Vorstellungsgespräch wird nur noch eine Formalität sein«, sagte die freundliche Dame am Telefon. »Wir kennen Sie ja bereits von früher und wir waren mit Ihrer Arbeit immer sehr zufrieden.«
    Bereits in der darauffolgenden Woche konnte ich den Dienst antreten. Vorsorglich legte ich meine freien Tage gleich so, dass meinem Klinik-Termin nichts im Wege stand. Wenn alles glattging, würde ich in Kürze ein Jungvater mit sicherem Job und ordentlichem Schwanz sein. Mein Schicksal meinte es offenbar doch gut mit mir. Ein Druck, der mir gar nicht mehr bewusst gewesen war, fiel von mir ab.
    »Vielleicht findest du jetzt ja auch wieder ein Mädchen«, sagte meine Großmutter. »Du musst ihr ja nicht gleich am ersten Abend erzählen, dass du schon ein Kind hast.«
    Der Job war in Ordnung. Ich hatte Aufgaben, Pflichten und eine Arbeitsroutine. Mit kleinen Effekten ließ sich große Wirkung erzielen. Reisende waren schon glücklich zu machen, wenn ich ihnen inmitten der Hektik ein Lächeln schenkte oder ihnen sagte, wo sie ihre Koffer hinstellen konnten. Wenn ich zwei Tage hintereinander Dienst hatte, übernachtete ich am Westbahnhof. Ich fing um sechs Uhr morgens an, und es hätte sich nicht ausgezahlt, abends heimzufahren und am nächsten Morgen um vier Uhr wieder aufzubrechen. Die Bahn stellte uns dafür Zimmer zur Verfügung. Sie waren klein und karg eingerichtet, erfüllten ihren Zweck aber allemal. Jeweils zwei dieser Zimmer lagen so nebeneinander, dass sich ihre Türen in denselben Vorraum öffneten. Die Betten standen praktisch direkt nebeneinander, getrennt nur durch eine dünne Wand, sodass man jedes Geräusch seines Nachbarn hören konnte. Mein Nachbar war eine Nachbarin, hieß Tatjana und war sehr hübsch.
    Tatjana war mir schon bei der Einschulung
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