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Elena - Ein Leben für Pferde

Elena - Ein Leben für Pferde

Titel: Elena - Ein Leben für Pferde
Autoren: Nele Neuhaus
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ausgeben?«, fragte er mich plötzlich. »Als Dankeschön für die Rettung?«
    Ich erschrak. Ja! Nein, bloß nicht! Wenn Christian oder Papa mich zusammen mit Tim Jungblut sahen, war der Teufel los.
    »Ich … ich weiß nicht. Lieber nicht«, murmelte ich, aber Melike sagte gleichzeitig zum Todfeind meiner Familie: »Klar doch. Ich hab einen Riesendurst!«
    »Okay, dann auch eine Cola für dich«, entgegnete Tim gutmütig.
    Ich folgte den beiden mit einem absolut unguten Gefühl. In der Pause zwischen den Springprüfungen war in dem Zelt neben der großen Halle viel los. Tim stellte sich an, um die Getränke zu holen.
    »Bist du verrückt?«, zischte ich Melike zu. »Wenn mein Bruder oder mein Vater uns mit Tim sehen, gibt’s einen Riesenärger!«
    »Ach was, die sind doch in der Halle.« Melike grinste sorglos. »Komm, da drüben ist was frei.«
    Sie schob mich an einen Tisch ganz hinten in der Ecke und ich versuchte, mich etwas zu beruhigen. Ich ertappte mich dabei, wie ich Tim beobachtete. Obwohl ich ihn sicher schon hundert Mal gesehen hatte, war mir bisher nie aufgefallen, wie verdammt gut er aussah. In meiner Klasse gab es ein paar Mädchen, die ihn toll fanden. Ich hatte das nie so ganz nachvollziehen können. Früher hatte Tim immer ganz kurz geschorene Haare gehabt und das Gesicht voller Pickel, aber das war nicht mehr der Fall. Und diese Augen! Sie leuchteten richtig. Er schien kein bisschen arrogant zu sein, auch wenn er so gut reiten konnte. Ob er wohl eine Freundin hatte? Natürlich gab es Gerüchte, aber wenn ich genau überlegte, dann hatte ich ihn noch nie zusammen mit einem Mädchen gesehen, weder auf einem Turnier noch in der Schule.
    Genau in diesem Moment blickte er zu mir herüber. Ich spürte, wie mir sofort wieder die Röte ins Gesicht schoss, und senkte den Blick. Verflixt, er hatte genau gesehen, wie ich ihn angestarrt hatte!
    Wenig später kam er mit drei Bechern Cola an unseren Tisch und setzte sich uns gegenüber hin.
    »Danke für deine Hilfe!« Er hob seinen Becher und lächelte mich an. Im Bruchteil einer Sekunde bemerkte ich in seinem Gesicht Dinge, die mir bisher auch nie aufgefallen waren: die schmale Narbe, die sich wie ein weißlicher Strich von seiner Nase bis zur Oberlippe zog, und das Grübchen im Kinn. An einem seiner Schneidezähne fehlte eine winzige Ecke, und das machte sein perfektes Aussehen irgendwie erträglicher. »Du hast mir das Leben gerettet!«
    »Übertreib mal nicht«, murmelte ich verlegen und trank einen Schluck.
    »Reitest du auch hier auf dem Turnier?«, erkundigte Tim sich.
    »Nee«, antwortete ich lahm. »Ich bin nur der Turniertrottel.«
    Sofort ärgerte ich mich. Was redete ich für einen Quatsch daher? Tim musste mich für total bescheuert halten.
    »Ach so, na ja«, sagte er.
    Wahrscheinlich bereute er längst, dass er mich zu einer Cola eingeladen hatte. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, so blöd kam ich mir vor.
    Plötzlich stand Christian am Tisch. Sein Blick flog zwischen uns und Tim hin und her und wurde kalt.
    »Hier hockt ihr also rum«, blaffte er uns an. »In zwanzig Minuten geht das Springen los. Ich bin achter Starter.«
    »Warte, ich komme mit!« Melike sprang auf, aber ich blieb aus Trotz sitzen. Was fiel meinem Bruder ein, in so einem Ton mit mir zu reden? Ich war seine Schwester, nicht seine Sklavin!
    »Elena«, sagte Christian. »Kommst du?«
    »Ich hab meine Cola noch nicht getrunken«, erwiderte ich.
    »Ich warte draußen auf dich.« Seine Stimme klang drohend. »Genau eine Minute. Sonst gibt’s Ärger.«
    Ich wartete, bis mein Bruder und Melike verschwunden waren.
    »Ich glaube, ich geh wohl besser auch.« Ich lächelte Tim verlegen an. »Danke für die Cola.«
    »Keine Ursache.« Er grinste und zwinkerte mir zu. »Wir sehen uns später noch.«
    Das klang wie ein Versprechen! Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Ich spürte, dass er mir nachblickte, und konzentrierte mich darauf, nicht vor lauter Aufregung zu stolpern oder jemanden umzurennen.
    Christian lauerte mir draußen vor der Tür auf. »Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!«, fiel er über mich her und packte mich hart am Arm. »Wie kommst du dazu, mit diesem Arsch an einem Tisch zu sitzen?«
    »Aua! Lass mich sofort los!«, erwiderte ich wütend. »Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!«
    Christian ließ meinen Arm los, versetzte mir aber noch einen Stoß.
    »Du weißt genau, dass wir uns nicht mit denen abgeben«, erinnerte er mich unnötigerweise.
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