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Elena - Ein Leben für Pferde

Elena - Ein Leben für Pferde

Titel: Elena - Ein Leben für Pferde
Autoren: Nele Neuhaus
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mussten wir schon um halb sieben losfahren. Papa war wieder guter Laune und schien vergessen zu haben, dass er auf mich sauer gewesen war. Er gewann mit Lady Gaga von Teicherts eine der beiden Abteilungen und auch Jens und Christian konnten sich mit ihren Pferden gut platzieren.
    Zwischen der Springpferdeprüfung und dem M-Springen war eine Pause von einer halben Stunde. Die freiwilligen Helfer des Reitvereins beeilten sich, unter der Regie des Parcourschefs den Parcours umzubauen. Stangen wurden hin und her getragen, die Entfernungen zwischen Oxern, Steilsprüngen und Kombinationen ausgemessen. Alles musste auf den Zentimeter genau stimmen. Melike und ich hatten die Pferde nach der Siegerehrung der Springpferdeprüfung trockengeführt und später auf den Lkw verladen. Papa war mit Christian und Jens in die Halle gegangen, um den Parcours abzugehen. Wir standen im Lkw und wickelten Bandagen auf, als auf dem Transporterparkplatz ein Tumult losbrach.
    Ein paar Leute schrien aufgeregt durcheinander, dann ertönte lautes Poltern und wilder Hufschlag. Ich blickte hinaus und sah ein dunkelbraunes Pferd, das kopflos zwischen den geparkten Lastern und Hängern umhergaloppierte. Die Trense baumelte zerrissen um seinen Hals. Besorgt kletterte ich aus dem Lkw. In seiner Panik konnte sich das Pferd schwer verletzen, wenn es in einer offen stehenden Autotür hängen blieb oder versuchte, über eine Anhängerkupplung zu springen.
    In diesem Augenblick änderte das Pferd seine Richtung und kam direkt auf mich zu. Ich spürte, wie mein Herz aufgeregt klopfte, aber ich hatte von Kindesbeinen an gelernt, in brenzligen Situationen, wie sie mit Pferden immer wieder vorkommen, ruhig zu bleiben.
    »Hoho, ganz ruhig!« Ich breitete die Arme aus. Das dunkelbraune Pferd bremste ein paar Meter vor mir und schlitterte in dem aufgeweichten Boden noch ein ganzes Stück weiter. Die Ohren zuckten, es verdrehte ängstlich die Augen.
    »Ist ja gut.« Ich sprach mehr mit mir selbst als mit dem nervösen Tier. »Ich tu dir nichts. Hoho …«
    Das Pferd blieb unentschlossen stehen. Ich schnappte den schleifenden Zügel und zog ihn dem Dunkelbraunen über den Hals.
    Zwei Männer kamen angelaufen. Ich zitterte innerlich noch ein bisschen, aber nun fuhr mir richtig der Schreck in die Glieder, als ich ausgerechnet Richard Jungblut und Tim erkannte.
    »Gut gemacht, Mädchen!«, rief Richard Jungblut. »Halt ihn schön fest, den verrückten Gaul! Springt doch glatt rückwärts aus dem Hänger, also so was!«
    Er nahm mir die Zügel aus der Hand.
    »Dass du auch nicht aufpassen kannst, Tim!«, fuhr er seinen Sohn mit scharfer Stimme an. »Du hast nicht für fünf Cent Verstand in deiner Birne!«
    »Aber du hast doch die Klappe aufgemacht«, versuchte Tim sich zu rechtfertigen.
    »Hüte deine Zunge, Freundchen!«, erwiderte sein Vater.
    Er warf mir einen raschen Blick zu und schien zu überlegen, woher er mich kannte.
    »Du bist doch die kleine Weiland, oder?«
    Ich nickte unsicher.
    »Gut gemacht«, wiederholte er. »Schönen Dank auch.«
    »B… Bitte«, stotterte ich und vermied es, Tim anzusehen.
    Dessen Vater zog mit dem gebändigten Pferd ab. Tim blickte ihm mit einem grimmigen Gesichtsausdruck nach, aber dann wandte er sich mir zu. Er lächelte verlegen, suchte nach Worten, und mir verschlug es völlig die Sprache, als ich dem Blick aus seinen blauen Augen begegnete. So blau konnten keine Augen sein! Wahnsinn! Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.
    »Vielen Dank«, sagte Tim. »Mein Alter hätte mich glatt umgebracht, wenn dem Pferd was passiert wäre. Es war ganz schön teuer und sein Besitzer hat es erst letzten Monat bei uns in Beritt gegeben.«
    »Schon okay«, nuschelte ich, starrte auf den Boden und verfluchte innerlich meine blöde Befangenheit.
    »Na, Tim.« Melike kam herangeschlendert. »Hast wohl nicht aufgepasst, was?«
    Ach, ich wünschte, ich könnte auch so locker mit der Situation umgehen wie meine Freundin! Zwar musste ich nicht im Mittelpunkt stehen, aber normalerweise war ich nicht eben schüchtern. Doch jetzt war ich stumm wie ein Fisch und knallrot wie ein Stoppschild. Lag es daran, dass ich mit Tim Jungblut nicht sprechen durfte?
    »Mein Vater hat mit irgendwem gequatscht und die Klappe vom Hänger aufgemacht, bevor ich Flipper die Trense draufgemacht hatte«, verteidigte er sich gerade. »Aber ich bin ja immer an allem schuld.«
    Seitdem Melike aufgetaucht war, hatte sich Tims Verlegenheit verflüchtigt.
    »Darf ich dir eine Cola
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