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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador
Autoren: Berndt Guben
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sondern nahm sein Pfeifen wieder auf.
    »Habe ich ihm nicht soeben das Pfeifen untersagt?« schrie der Beamte.»Er hat sicher schon manches befohlen, was nicht befolgt worden ist. Gehe er jetzt aus der Zelle. Er stört mich.« Die Tür schlug mit einem heftigen Knall zu.
    Der landgräfliche Gerichtshof hatte sich zusammengefunden. Der Richter erhob sich mit feierlichem Ernst.
    Er verlas die Personalien des Angeklagten und schloß:
    »Da der Angeklagte ein studierter Mann ist, so wird er sicherlich keinen Anwalt benötigen, sondern sich selbst verteidigen können.
    Dem Angeklagten wird vorgeworfen, sich an der hochwohlgeborenen Persönlichkeit des älteren Sohnes des reichsfreien Grafen von Eberstein, Rudolf von Eberstein, vergriffen zu haben. Der Streitgrund ist nicht bekannt.«
    Michel Baum erhob sich und lächelte seinem Vater zu, der sich unter den Zuschauern befand. »Ich glaube, daß der Grund des Streites wohl die wichtigste Angelegenheit der ganzen Sache ist. Deshalb bitte ich, ihn bekanntzugeben.«
    »Der Grund des Streitfalls ist nicht angeführt und tut auch nichts zur Sache. Der Angeklagte kann sich verteidigen. Ich erteile ihm ausdrücklich das Wort.«
    »Nun«, meinte Michel frei und offen, »wenn die Herren hier Gericht halten wollen, wie es in keinem Gesetzesbuch steht, so stehe ich nicht an, den Grund des Handels selbst anzugeben. Ich möchte —«
    Er wurde vom Richter unterbrochen.
    »Er soll sich verteidigen und keine Märchen erzählen, Angeklagter.« Michel sah den Richter erstaunt an. Dann merkte er jedoch, was hier gespielt wurde, daß der ganze Prozeß nichts weiter war als eine Komödie, deren Ausgang von vornherein feststand. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzte er sich wieder.
    Es wurden im Anschluß daran noch einige schwungvolle Reden gehalten. Das Urteil lautete zum Schluß auf zehn Jahre Festung wegen Verletzung der Ehre eines Hochwohlgeborenen. Michel begann zu pfeifen. Der Richter und die Beisitzenden erstarrten. Michel ließ sich ruhig abführen. —
    Es waren noch keine zwei Wochen vergangen, als ein Offizier in Begleitung zweier Sergeanten in die Zelle trat.
    »Ah«, lachte Michel, »er bringt mir die Freiheit in Form eines Werbezettels, den ich unterschreiben soll, was?«
    Der Offizier war im ersten Augenblick verblüfft über die Keckheit des Gefangenen und über die Anrede. Dann fragte er barsch:
    »Will er ein Soldat des Landgrafen werden?«
    »Er meint, ein Kolonialsoldat in britischen Diensten, nicht wahr? Nun, gebt her den Wisch. Ich werde auch ein Seeräuber, wenn ich dadurch aus diesem Loch herauskomme.« Mit fester Hand unterschrieb Michel das Papier.
    Die Soldaten staunten nicht wenig über diese Bereitwilligkeit. Meistens hatten sie es nicht so leicht. Vielen der Gefangenen, die sich im allgemeinen nur kleinere Verfehlungen hatten zuschulden kommen lassen, paßte es durchaus nicht, die Haft gegen ein Ungewisses Schicksal in der Neuen Welt einzutauschen; denn praktisch wußte ein jeder, was ihm nach seiner Einberufung blühte. Und wer wurde schon gern Soldat? Michel pfiff und schien nicht im mindesten deprimiert zu sein. —
    Einige Wochen später, als die erste Ausbildung beendet war, besuchte er abends seinen Vater. Andreas Baum war sichtlich gealtert. »Mußte es dahin kommen. Junge?«
    »Wir wissen nicht viel von dem, was sein muß und was nicht sein muß, Vater.« Er machte eine gedankenvolle Pause. — »Ich glaube, wir sollten uns daran gewöhnen, die Dinge immer von zwei Seiten zu betrachten. Vor allem dürfen wir nicht mit so tierischem Ernst an das Leben herangehen wie zum Beispiel unsere Sergeanten. Die Armee ist ein wahres Sammelsurium von Menschen aller Sorten, und es lohnt sich, seine Studien eine Weile an Ort und Stelle zu betreiben. Vielleicht geht mir noch manches Licht auf. Im übrigen seid nicht böse. Ich gehöre auf jeden Fall zu denen, die nicht in Washingtons Flinten laufen.« Andreas wiegte den Kopf.
    »Wir sind sonderbare Menschen, Michel, wir Baums. Unsere Wege waren nie leicht. Aber zum Schluß blieben wir stets Sieger. Ich will nicht viele Worte machen. Laß wieder von dir hören, wenn du dein erstes Meisterstück geliefert hast. Versprichst du mir das?« Michel versprach es. Er nahm noch einen tiefen Zug aus der alten Pfeife und verabschiedete sich dann mit einem festen Händedruck.
    Eine unliebsame Überraschung erwartete ihn am nächsten Tag beim Frühappell. Der Kompanie, zu der er gehörte, wurde ein neuer Offizier vorgestellt.
    Es
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