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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador
Autoren: Berndt Guben
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machen, wieder einmal den Boden Kassels unter den Füßen zu spüren. Ist dir irgend etwas Unangenehmes begegnet?«
    Michel erzählte dem Vater sein Erlebnis mit dem Schutzmann. Der Alte wußte nicht recht, ob er lachen oder weinen sollte.
    »Glaubst du, daß er dich erkannt hat?«
    »Das weniger. Aber er wird mich zweifelsohne wiedererkennen, wenn ich ihm später einmal begegne. Die Luft hier in Kassel ist zum Ersticken. Dieser Polizist zum Beispiel bewies das durch sein Verhalten. Mir behagt diese Unfreiheit nicht mehr. Der Untertanengeist macht mich ganz krank. Man kommt sich vor wie in Spanien zur Zeit der Inquisition.« Andreas Baum sah ernst zu Boden.
    »Es liegt wie ein Fluch auf unserer Familie. Du scheinst den unruhigen Geist deiner Vorfahren geerbt zu haben. Ich kannte keinen Baum, der sich je hätte unterordnen können. Ich bin der einzige, der sich ein Leben lang beherrscht hat. Nimm dich noch eine Weile zusammen, dann kannst du in deiner eigenen Praxis den Menschen auf deine Weise helfen.« »Und was sagt Ihr, Vater, zu den 12 000 Mann, die Friedrich an die Engländer verkaufen will?« Ein Schatten glitt über das Gesicht des Älteren. Er zog heftig an seiner Pfeife. Qualmwolken verdunkelten die flackernde Petroleumlampe.
    »Es ist eine Schande«, drängte es sich zwischen seinen Lippen hervor. »Man kann sich nur wundern, daß ihn die anderen Fürsten gewähren lassen, daß nicht einmal Kaiser und Reich etwas dagegen unternehmen. Nun, Landgraf Friedrich ist nicht der einzige, der solche Dinge tut. Die Höfe von Hanau, Braunschweig, Waldeck, Anhalt und Ansbach versuchen ebenfalls, auf diese Weise ihr feudales Leben zu finanzieren. Es ist eine Schande.« Michel lenkte auf ein anderes Thema über. »Wie geht es Charlotte? Ist sie schon verheiratet?« Andreas lachte.
    »Das glaubst du doch selbst nicht. Sie ist ein treues Mädchen. Ich wette meinen alten Tabaksbeutel gegen einen neuen Hut, daß sie sich nichts sehnlicher wünscht, als einmal die Frau eines gewissen Doktor Baum zu werden. Nun, warum auch nicht. Die alten Ecks sind rechtschaffene Menschen und haben wohl auch einen schönen Batzen beiseite gelegt. Na, und dein Vater ist auch nicht gar so arm, wie er ausschaut.« Michel wurde lebhaft.
    »Meint Ihr, daß ich die Ecks morgen vielleicht besuchen könnte?«
    »Ich bin fest davon überzeugt, daß sie geradezu darauf warten.«
    Michel klopfte seine Pfeife aus und stellte sie in den Ständer zurück.
    Andreas sah seinen wohlgeratenen Sohn mit glänzenden Augen an und meinte dann:
    »Es tut mir in der Seele weh, daß Mutter dich so nicht mehr erlebt hat. Der Herrgott hat sie wirklich ein wenig zu früh abberufen.«
    Die beiden Männer, Vater und Sohn, hatten noch ein langes Gespräch an diesem Abend, in dem teils Traurigkeit und Wehmut, teils Freude und inniges Verstehen mitschwangen.
    Michel hatte seinen Degen umgeschnallt, zu jener Zeit ein Zeichen der Würde und Vornehmheit, und schritt dem Stadtrand zu. Ihn zog es hinaus in den Wald, an jene Stelle, wo er vor Jahren als Kind mit der kleinen Charlotte Eck Räuber und Prinzessin gespielt hatte. Plötzlich hemmte der Aufschrei eines Menschen seinen Schritt. Lauschend streckte er den Kopf vor. Es mußte links neben ihm im Wald gewesen sein, just an der Stätte seiner Kinderspiele. Er faßte den Degen fester und brach in das Unterholz ein.
    Da kam der Schrei wieder, ängstlicher jetzt, verzweifelter. Dazwischen klang das kehlige Hohnlachen eines Mannes.
    Michel eilte, so schnell er konnte, dem Klang nach.Dann stand er auf einer Lichtung. Was er dort sah, trieb ihm das Blut in die Schläfen.
    Ein junges Mädchen wehrte sich verzweifelt gegen die Angriffe zweier Männer, die grüne Jägerkleidung trugen.
    »He!« donnerte Michels Stimme, »aufhören, ihr Halunken, laßt von dem Mädchen ab!« Die Grünen fuhren erschrocken herum, lachten aber nur ärgerlich auf, als sie den Störenfried erblickten. Das Mädchen, eine Schönheit übrigens, hielt sich die zerrissenen Teile ihres Kleides vor die Brust und warf dem Ankömmling flehende Blicke zu. »Was habt ihr mit dem Mädchen vor?« fragte Michel scharf. Die beiden Jäger lachten.
    »Was wird man mit so einem hübschen Kind schon vorhaben?« Michel sah sie zornig an.
    »Haut ab, sage ich euch, sonst mache ich euch Beine!«
    Der eine der beiden, ein ziemlich junger Kerl, kam jetzt auf ihn zu.
    »Wer seid Ihr überhaupt?«
    »Dumme Frage«, antwortete Michel gelassen und zog mit einem Griff den Degen. »Ich
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