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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador
Autoren: Berndt Guben
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weiterwußte.
    Dennoch aber begehrte das freie Blut in Michel Baum auf gegen die Fron, die er unfreiwillig leistete. Seine Vorfahren wurden in ihm lebendig. Er sah oft im Geiste seinen unbeugsamen Großvater, wie er mit schweren, besitzergreifenden Schritten über seine Äcker ging. Ein reichsfreier Bauer, der nur dem Kaiser seinen Tribut zollte.
    In diese Gedankengänge hinein platzte eines Abends nach Dienstschluß der «Spieß« mit einem ungeheuerlichen Befehl.
    »Musketier Baum, er ist für die nächsten zwei Tage abkommandiert, um beim Leutnant den Reitburschen zu machen. Hat er verstanden?«
    Michel glaubte nicht recht gehört zu haben. Dieses junge Bürschchen wagte es, ihm durch den Kompaniefeldwebel einen derartig entwürdigenden Dienst antragen zu lassen! Nur mit Würgen brachte er das «Jawohl« über die
    Lippen. In ihm begann es zu kochen. Er stapfte durch die Stube, ohne sich um seine Kameraden zu kümmern, und ballte die Fäuste. Was sollte er tun? —
    Am nächsten Morgen war er frühzeitig zum Ausritt fertig.
    Als der Leutnant kam, machte er gewohntermaßen seine Ehrenbezeigung.
    »Baum«, sagte Eberstein, »ich habe Euch genommen, weil ich annehme, daß Ihr die nötige Erziehung habt, einer Dame den Steigbügel zu halten. Ihr werdet uns in gebührendem Abstand begleiten, um etwaige Hilfeleistungen zu geben.«
    Michel Baum drückte die bequeme Reitmütze tief ins Gesicht, um zu verhindern, daß sein Vorgesetzter die Röte bemerkte, die ihm siedend ins Gesicht schoß. Die Fäuste, die den Zügel hielten, waren verkrampft. Die Knöchel schimmerten weiß. Ohnmächtiger Zorn schüttelte den Musketier, der kaum wußte, wie er seiner Wut Herr werden sollte. Es war ihm nicht klar, ob Eberstein ihn zu seinem persönlichen Dienst aus Bosheit oder Gedankenlosigkeit befohlen hatte. Sie ritten, ohne ein Wort zu sprechen, aus dem Tor und die Hauptstraße entlang. Michel sah nicht auf. Verbissen stierte er auf den Hals seines Pferdes, eines ausgezeichneten Pferdes übrigens.
    Da drang die Stimme des Leutnants an sein Ohr: »Wartet hier. Wir sind an Ort und Stelle.«
    Eberstein warf ihm die Zügel zu und betrat ein Haus. Michel glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er das der Ecks erkannte. Dunkle Ringe tanzten vor seinen Augen. Nun fehlte nur noch, daß die Dame...
    Er brauchte diesen Gedanken nicht erst zu Ende zu spinnen. In diesem Augenblick kam der Leutnant wieder heraus und führte seine Dame am Arm. Es war Charlotte Eck.
    Michel dachte nicht daran, vom Pferd zu steigen, um der einstigen Jugendgespielin in den Sattel zu helfen. Sollte sich der aufgeblasene Eberstein gefälligst selbst bemühen.
    Der Leutnant fiel in seinen dienstlichen Ton zurück, als er fragte:
    »Was hat er, Musketier? Will er nicht der Dame behilflich sein?«
    Statt einer Antwort wandte sich Michel plötzlich an das schöne Mädchen.
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, Charlotte, daß ich dir auf den Gaul helfe?«
    Charlotte Eck starrte ihn mit kreidebleichem Gesicht an.
    »Du — du--bist es, Michel?«
    »Erstaunlich, daß du dich meiner überhaupt noch erinnerst. Ist doch eigenartig, wie so eine schneidige Leutnantsmontur im Handumdrehen selbst den anständigsten Mädchen die Köpfe verdreht.«
    »Laß dir erklären, Michel...«, sagte Charlotte und trat hastig auf den Freund zu und streckte ihm die Hand entgegen.
    Michel machte eine wegwerfende Geste.
    »Erkläre deinem buntberockten Leutnant, was du zu erklären hast. Michel Baum ist ein Musketier des Landgrafen und hat zu gehorchen.«
    Der Leutnant, der bis jetzt sprachlos der Szene gefolgt war, half Charlotte selbst in den Sattel. Doch kaum saß sie oben, als Michel plötzlich die Reitpeitsche mit beiden Fäusten packte und den dicht vor ihm stehenden Pferden einige Hiebe versetzte, daß diese mitsamt ihren Reitern laut wiehernd durchgingen.
    Michel gab seinem eigenen Tier die Sporen und raste , mit laut anfeuernden Rufen hinter ihnen her. Charlotte hielt sich vorbildlich im Sattel. Schlechter allerdings war es um den Leutnant bestellt. Er hatte die Bügel nicht mehr zur rechten Zeit erwischen können. Und so klebte er jetzt förmlich wie ein Affe auf dem wild dahin-galoppierenden Pferd.
    Immer weiter ging die wilde Jagd. Bald war der Stadtrand erreicht. Draußen auf der freien Landstraße brach plötzlich Charlottes Pferd nach links aus. Das des Leutnants fegte geradeaus weiter. Michel folgte Charlotte. Kurz vor dem nahen Wäldchen brachte sie endlich ihr Pferd zum Stehen und
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