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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador
Autoren: Berndt Guben
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Weidengerte schwang in seiner Hand. »Paß auf, Charlotte«, rief er übermütig, »jetzt werde ich vor deinen Augen meinen Leutnant verprügeln.«
    Mit einem Wutschrei stürzte sich Eberstein mit gezücktem Degen auf den unverschämten Widersacher.
    Da zischte die Gerte durch die Luft. Schlag auf Schlag sauste auf den unglücklichen Leutnant nieder, der einem Fechter wie Michel nicht gewachsen war, auch wenn dieser nur mit einem Rohrstock focht.
    Der Degen schnitt seine Kerben in die weiche Gerte. Der Stecken verkürzte sich Stück um Stück. Da, eine Quart, eine Prim, ein schneller Rückzieher, sauber ausgeführt, und wieder eine Quart, und der Leutnant ließ den Degen fahren. Er fuhr sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über die aufgeplatzte Wange. Michel begann wieder zu pfeifen.
    Erst Charlottes entsetzte Augen ließen ihn wieder verstummen. Das Mädchen warf plötzlich die Arme um seinen Hals und schluchzte:
    »Mein Gott, Michel, was hast du da angerichtet! Man wird dich nun vielleicht tatsächlich exekutieren.«
    Der Leutnant schwang sich auf sein Pferd und trabte ohne ein weiteres Wort von dannen. Michel strich dem Mädchen zärtlich übers Haar.
    »Beruhige dich, niemand wird mich exekutieren. Ich werde diesem Burschen gar nicht erst Gelegenheit geben, über mich zu Gericht zu sitzen. Weshalb sollte ich wohl dorthin zurückgehen, wo ich ohnehin nie freiwillig gewesen bin?«
    »So willst du desertieren?« Charlottes Augen weiteten sich vor Schreck.
    »Was heißt hier desertieren? Wenn ich einen Eid auf den Landgrafen geleistet habe, nur, um nicht für ewig im Gefängnis zu sitzen, so wird mich kein Gott dafür bestrafen, wenn ich ihn nicht halte.«
    »Aber wenn sie dich dann fangen, Michel?« Es lag eine Welt von Zärtlichkeit in diesem Wort »Michel«.
    Michel ließ sich im Gras nieder und zog seine Begleiterin neben sich. Ringsum war Ruhe. »Pfeif, Michel«, bat Charlotte. Sie mochte sein Pfeifen gern.
    Und Michel pfiff. Lange saßen sie so. Es mochte etwa eine halbe Stunde vergangen sein, als Charlotte plötzlich auf die Landstraße wies. Heftig packte sie Michels Arm und rief erschrocken: »Sieh, dort kommt ein berittenes Militärkommando. Die werden sicher den Auftrag haben, dich zu suchen.«
    Michel verstummte jäh, und dann trat ein Ausdruck in seine Augen, der sein Gesicht fremd machte.
    »Die Kopfjäger des Landgrafen«, stieß er durch die Zähne. »Sie dürfen mich hier nicht sehen. Ich ziehe mich in den Wald zurück. Sieh zu, daß du sie von meiner Fährte abbringen kannst. Bevor ich Hessen verlasse, muß ich dich noch einmal sehen.«
    Sie streckte die Arme nach ihm aus, aber da saß er schon auf seinem Pferd und ritt in den Wald hinein. In wenigen Augenblicken hatten ihn die Bäume verschluckt.
    Charlotte Eck stieg jetzt auf und ritt über das Feld dahin, wie Damen auf einem Spazierritt reiten. Es war keine Hast in den Bewegungen ihres Tieres. Roß und Reiterin boten ein harmonisches Bild des Friedens.
    Als sie auf die Landstraße einbog, waren die Reiter des Landgrafen plötzlich neben ihr.
    »Hallo, Ihr da«, rief der Anführer, während er flüchtig die Hand zur Mütze führte, »habt Ihr einen Musketier zu Pferde gesehen?«
    Charlotte Eck reagierte gar nicht auf den Anruf. Der Anführer, ein Wachtmeister, wiederholte seine Frage.
    »Meint er mich mit seiner unverfrorenen Fragerei?«
    Der Wachtmeister wurde rot. Seine Leute grinsten schadenfroh. Dann aber besann er sich wieder auf seine Mission. Schließlich sollte er ja einen Deserteur fangen. Da durfte man nicht wählerisch in den Mitteln sein. Die junge Dame da vor ihm war weit und breit der einzige Mensch, der den entflohenen Musketier gesehen haben konnte. »Im Namen des Landgrafen«, rief er, »antwortet!«
    »Er hat eine Art und Weise, mit Damen umzugehen, über die ich mich beim Landgrafen beschweren werde. Laß er mich jetzt in Ruhe.« Unbeirrt ritt sie weiter.
    Der pflichtbewußte Wachtmeister folgte ihr hartnäckig. »Nicht bevor Ihr mir Auskunft gegeben habt!«
    »Was kümmert mich schon ein entlaufener Musketier! Vorhin kam hier wohl ein Reiter vorbei, der geradewegs die Straße dort weitergeritten ist. Ob er ein Musketier war, vermag ich nicht zu sagen. Ihr seht doch alle gleich aus in den Monturen.« »Dort entlang?« vergewisserte er sich noch einmal.
    »Natürlich, dort entlang, er wäre mir gar nicht aufgefallen, wenn er nicht ein Frauenzimmer bei sich gehabt hätte.«
    »Ah«, freute sich der Wachtmeister, »eine Dame, sagt
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