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El Camino Amable

El Camino Amable

Titel: El Camino Amable
Autoren: Marlies Curth
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Nachttischlampe brennt für mich.

25. Tag

Pedrouzo—Monte do Gozo

    Ich hatte meiner freundlichen Wirtin gesagt, dass ich um 7 Uhr aufbrechen wolle. Daran halte ich mich und gönne mir dann im Ort ein kleines Frühstück mit leckeren Croissants. Es ist fast hell und recht kühl, als ich mich auf den Weg mache. Heute ist der letzte „richtige“ Wandertag. Dabei sind die anstehenden 16,5 Kilometer bis Monte de Gozo wirklich nicht der Rede wert. Eigentlich wäre es eine Kleinigkeit, bis Santiago zu gehen. Aber ich habe mir nun einmal vorgenommen, in Ruhe ein Bett zu finden - und wenn ich bis zum Mittag in Monte de Gozo bin, dürfte das auch kein Problem sein. Monte de Gozo, der „Berg der Freude“, liegt fünf Kilometer vor Santiago. Alle Pilger, die bis zum Nachmittag ankommen, gehen sicher bis Santiago durch und für die, die später kommen, reichen die 450 Betten, die es in der Herberge gibt, mit Sicherheit. Ich möchte dort noch einmal innehalten, bevor ich mein Ziel erreiche, um dann am nächsten Morgen nach Santiago „einzuziehen“ und den ganzen Tag dort zu genießen. Also gehe ich gelassen und genieße noch einmal bewusst die Morgensonne. Warum macht man so etwas im „wirklichen Leben“ nicht? Wo findet das „wirkliche Leben“ eigentlich statt? Noch einmal achte ich auf die Schmetterlinge und das unterschiedliche Grün in den Eukalyptuswäldern, und wenn ich durch ein Dorf wandere, fällt mir wieder einmal der Gestank auf, den ein einzelnes Auto produziert. An der Kreuzung, an der ich zu Hause wohne, fahren stündlich unzählige Autos vorbei, ohne dass mich das stört. In der Großstadt bin ich blind und ohne Geruchssinn.

    Heute also ist der letzte „echte“ Tag der Wanderschaft. Ich fühle Erleichterung und bedaure gleichzeitig, dass nun alles zu Ende geht. Außerdem fühle ich auch Freude und Aufregung: Ankommen — oder doch fast.
    Bin gespannt.
    Gespannt, wie die Stadt sich vom Monte de Gozo aus präsentiert. Gespannt, sie - das Ziel — endlich zu sehen. Ich gehe doch schneller als ich eigentlich wollte. Einige Radfahrer überholen mich und treten die Pedale mit voller Kraft. Die Füße wollen ankommen — und der Kopf? Der Rest?
    Ich bedaure nun, dass ich für die Etappe von Carrión de los Condes bis León den Bus genommen habe. Es wäre Zeit genug gewesen, den Weg zu Fuß zu gehen. Meine Sorge, dass die Zeit nicht reichen könnte, war völlig unbegründet. Auf dem Camino bekommt man zwangsläufig Kondition und Ausdauer, sodass man sich gegen Ende auch längere Etappen durchaus zutrauen kann. Der Camino will gegangen sein — und so wage ich zu behaupten, dass Radfahrer diesen Weg sicher als sportliche Herausforderung sehen und meistern mögen. Er erfordert jedoch eine unglaubliche Konzentration beim Fahren. Ob sie ihn daher als persönlichen Weg der Auseinandersetzung mit sich und anderen empfinden, sei deshalb dahingestellt.
    Ich bedaure die Fahrt mit dem Bus. Ich hätte gut zwei Tage später in Santiago de Compostela ankommen können. Zeit bleibt mir allemal genug. Ich habe das Gefühl, mir fehlt ein Stück - und dann auch gerade die Strecke durch die Meseta, die völlig eben und leicht zu gehen sein soll. Allerdings beherrscht dort natürlich die Hitze den Tag, denn es gibt weder Wälder noch sonst eine Möglichkeit, im Schatten zu gehen.

    Ein großes Monument erwartet mich auf dem Monte de Gozo, während Santiago de Compostela sich weitgehend hinter Bäumen versteckt. Gut so. Morgen werde ich die Stadt finden und entdecken. Heute will ich ein Bett, schlafen, waschen, schreiben, Post erledigen... Ich gehe vom Berg abwärts in den Herbergskomplex. Hier herrscht absolute Ruhe. Die Rezeption öffnet erst in eineinhalb Stunden. Ich setze mich auf eine Bank vor dem Supermercado und bedaure, dass hier kein bekanntes Gesicht zu erwarten ist. Erst in Santiago besteht die Chance, Freunde und Bekannte wiederzusehen. Ein bisschen trist ist das hier nun schon. Da sitze ich nun allein auf meiner Bank.

    Doch es dauert keine fünf Minuten, bis sich ein Spanier dazusetzt und nach dem Woher fragt. (Wohin braucht man einen Pilger ja auch nicht zu fragen.) Er heißt Felix, ist etwa Ende dreißig, kommt aus Madrid und verbringt hier ein paar freie Tage im Hotelbereich. Zehn Minuten später hat er mir einen Stadtplan geschenkt, zwei gute und günstige Restaurants eingezeichnet und von seinen Ferien erzählt. Zwischendurch packt er sein Frühstücksbocadillo von gestern Morgen aus und bietet mir an, doch
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