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El Camino Amable

El Camino Amable

Titel: El Camino Amable
Autoren: Marlies Curth
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dafür füllen sich die Straßen langsam mit Menschen, es hat etwas von italienischem Corso. Ich schaue ein Weilchen dem Treiben zu, obwohl mir der Kellner mit dem zweiten Bier auch gleich die Rechnung bringt. Ich beobachte die Nebentische. Dort bekommt niemand seine Rechnung bei einer Bestellung. Vielleicht ist es ja unzüchtig, als Frau allein zwei Bier zum Essen zu bestellen. Vielleicht sieht er mir ja auch an, dass ich seit heute Pilgerin bin - und dann ist es natürlich noch viel verwerflicher, als Frau allein in der Öffentlichkeit ein zweites Bier zu trinken. Ich füge mich in mein derzeitiges Schicksal, zahle und gehe. Im Hotel falle ich todmüde ins Bett, obwohl es sich auf dem Flur so anhört, als ob gerade ein Zirkus einzieht.

1. Tag

Bilbao—Cizur Menor

    Heute ist der erste echte Pilgertag zu Fuß. Ich marschiere aus dem Hotel erst einmal fröhlich los — natürlich prompt in die falsche Richtung. Da ich aber ganz entgegen meiner Gewohnheit tatsächlich einmal genug Zeit für den Weg zum Busbahnhof eingeplant habe, bin ich nach einem etwa einstündigen Marsch durch die Innenstadt von Bilbao noch rechtzeitig da.
    Der Busbahnhof ist voller Menschen, viele sitzen auf Koffern oder Rucksäcken - so wie ich. Der Bus scheint in Spanien ein gern benutztes Verkehrsmittel zu sein, dagegen ist das Reisen mit dem Zug eher zweitrangig. Nicht alle Städte haben einen Gleisanschluss, während man mit dem Bus jede spanische Stadt schnell und günstig erreichen kann.
    Die zwei Stunden Busfahrt vergehen wie im Flug. In Pamplona finden gerade die Stierläufe statt, jedermann hat sich weiß angezogen und läuft mit einem roten Halstuch herum. Mich erinnert das irgendwie an die Jungpioniere. Die meisten Männer tragen dazu noch eine rote Schärpe. Die ganze Stadt ist weiß-rot. Ich suche den Weg durch die Stadt und bin richtig aufgeregt, als ich den ersten Jakobswegweiser finde.
    Eifrig suche ich die nächsten. Es klappt wunderbar! Man wird wirklich richtig gut durch die Stadt geführt — keine Irrtümer möglich. Der Weg geht durch einen Park an der Universität vorbei. Hier sehe ich einen Hinweis, dass sich Pilger ihren Ausweis stempeln lassen können. Ich bin noch etwas unsicher, ob damit auch ich gemeint bin, dann entscheide ich mich aber für mein Dasein als Pilgerin und gehe durch den Park zum Hauptgebäude der Uni. Und so hole ich mir dort meinen ersten Stempel für den Pilgerpass!
    Dann geht es weiter — immer bergauf! Ich folge den gelben Pfeilen bis zum Ort Cizur Menor, wo meine erste Pilgerherberge liegt.
    Noch ist mir der Unterschied zwischen „Albergue“ und „Refugio“ nicht ganz klar. Ich meine, die Albergues sind Unterkünfte für die Pilger, in denen bezahlt werden muss — wenngleich die Beträge sehr gering sind. Sie sind vorwiegend aus Menschenfreundlichkeit für die Pilger gegründet worden und werden manchmal auch von den jeweiligen Kommunen finanziert, die aber selber nicht daran verdienen. So werden zum Beispiel ehemalige Dorfschulen zur Verfügung gestellt und ehrenamtlich betreut. Die Preise liegen ungefähr bei drei Euro pro Nacht. Seit einiger Zeit gibt es aber auch vorwiegend neue Albergues, die zwar auch nicht teuer sind (zwischen 5 und 8 Euro pro Nacht), aber doch deutlich dem wirtschaftlichen Nutzen des Betreibers dienen. Diese privaten oder kommerziellen Herbergen sind auch noch nicht alle in den Wanderführern berücksichtigt und machen zum Teil durch Plakate oder Zettel am Wegesrand auf sich aufmerksam. Daneben existieren die klassischen Refugios, die von den Kirchengemeinden, Klöstern oder auch Jakobsgesellschaften aus verschiedenen Ländern unterhalten werden und oft nichts verlangen oder lediglich um eine Spende bitten.

    Der Rucksack ist doch verflixt schwer, vor allem seit ich die Wasserflasche gekauft habe. Und heiß ist es auch, bestimmt 25 Grad im Schatten, schätze ich, und der Berg ist recht steil! Eine halbe Stunde später komme ich an einer offiziellen Temperaturanzeige vorbei: 34,5°C! Ab und zu drehe ich mich um, um zu sehen, wie viel ich schon geschafft habe. Viel ist es aber ehrlich gesagt nicht. Als ich ziemlich durchgeschwitzt die Albergue erreiche, bekomme ich tatsächlich auf Anhieb ein Bett. Sie liegt sehr hübsch auf einem großen Grundstück neben einer Malteserkirche, auf deren Turm eine große Fahne mit dem Malteserkreuz weht. Ich trete in die Kirche und schaue mich um. Es ist recht dunkel und angenehm kühl hier. Der Altar ist mit Blumen geschmückt und
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