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El Camino Amable

El Camino Amable

Titel: El Camino Amable
Autoren: Marlies Curth
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bevor es am Nachmittag dort zu voll wird. Das mache ich auch, und als mir eine Dame meine Urkunde gibt, bin ich doch ein bisschen stolz, dass ich es geschafft habe. Dann gehe ich mit meinem Rucksack durch den Seiteneingang in die Kirche und setze mich. Jemand spielt
    Orgel, ein Priester spricht noch ein paar Worte. Und genau jetzt habe ich das Gefühl, alles ist gut. Angekommen - am Ziel. Einmal schlucken nach all der Mühe.

    Inzwischen ist es 11 Uhr, um 12 Uhr beginnt die Pilgermesse, an der ich teilnehmen möchte. Daher ist es zu spät, um sich in der etwa einen Kilometer entfernten Herberge, von der ich noch gar nicht genau weiß, wo sie wirklich liegt, um ein Bett zu kümmern. In der Touristen-Information erfahre ich, dass ich meinen Rucksack in einem Internetcafé zur Aufbewahrung abgeben kann. Natürlich laufe ich zunächst einmal prompt an diesem Café vorbei, obwohl ich genau auf den Stadtplan geguckt habe, den man mir in die Hand gedrückt hat. Aber ich bin jetzt andere Entfernungen und Maßstäbe gewöhnt. Also wieder zurück. Alles geht wunderbar, ich finde es dann schnell, man kann hier meinen Namen zwar nicht schreiben, aber das kenne ich auch aus Deutschland.

    Pünktlich zur Pilgermesse bin ich zurück in der Kathedrale und versuche sehr zeitig — was für mich eher ungewöhnlich ist — um Viertel vor zwölf noch einen Platz darin zu finden. Aber die Kathedrale ist voll! Completo! Es ist unglaublich, wie viele Menschen sich zu diesem Gottesdienst drängen - alles Pilger, und viele kommen noch mit ihrem Rucksack. Alle haben die gleichen oder ähnliche Erfahrungen gemacht, das verbindet wirklich. Und hier ist es wieder, das Lächeln von unterwegs. Da ich keinen Platz finde, lehne ich mich stehend gegen eine Säule. Eine Nonne bittet um Ruhe und übt mit den Anwesenden — mit UNS — mehrfach die Gesänge, die in der folgenden Messe gesungen werden sollen. Ich übe mit, bis ich plötzlich bemerke, dass jemand im Mittelgang steht und mir Zeichen macht. Pia! Sie winkt mir und ich schlängle mich durch die Kirchenbänke, bis ich sie wieder sehe. Und dann rückt eine ganze Bank zusammen, damit ich noch draufpasse:
    Theo und Pia und daneben erstaunlicherweise die drei Jungs aus Ulm! Ich freue mich riesig. Ausgerechnet hier und jetzt treffe ich sie alle auf einer Bank wieder, die sich untereinander gar nicht kennen! Toll.
    Der Gottesdienst beginnt. Er ist wirklich für die Pilger und der Priester predigt frei und mit Engagement. Die Lieder, die wir geübt haben, werden nun von so vielen Menschen gesungen, wie bei mir zu Hause gar nicht in die Kirche passen — das gibt ein Gänsehautgefühl.
    Nach dem Abendmahl sieht man plötzlich sechs bis acht Kirchendiener, die sich hinter einer Säule zu schaffen machen. Und tatsächlich: Sie lassen den 54 Kilogramm schweren silbernen Weihrauchkessel, den Botafumeiro, der an einem dicken Seil hängt, von der Decke herab. Normalerweise geschieht das an Feiertagen, aber nicht in einer Pilgermesse.
    Ein Priester zündet den großen, prunkvollen Weihrauchkessel an, ein anderer gibt Schwung und dann ziehen sechs weitere an dem dicken 21 Meter langen Seil und der riesige rauchende Kessel beginnt zu schwingen, bis er schließlich einen Schwungweg von 65 Metern quer durch das Kirchenschiff erreicht und auch mächtig in die Höhe saust. Dazu singt die Nonne mir ihrer klaren Stimme und die Orgel braust in gewaltigen Akkorden. Niemand in der Gemeinde kann sich diesem gigantischen Eindruck, der Hören, Sehen und Riechen umfasst, entziehen, die Menschen sind aufgestanden und verfolgen das Schauspiel.

    So geht es minutenlang, doch dann schwingt der Botafumeiro aus und kommt wieder zur Ruhe, und auch die Orgel beruhigt sich und verklingt leise. Nach dem anschließenden Segen verlassen die Pilger tief berührt die Kathedrale, während die Schaulustigen und Touristen schon wieder nachströmen. Und es ist ein Unterschied zwischen Pilgern und Touristen! Dies war unsere Messe, sie war für die, die mit kaputten Füßen, aber mit vielen Freunden da sind. Angekommen sind.
    Als wir draußen stehen, muss ich Theo und Pia erst einmal drücken. Dann holen wir mit Pia gemeinsam ein postlagerndes Paket ab, denn wie so viele andere hatte sie einiges an unnötigem Kram eingepackt und nach wenigen Tagen reumütig postlagernd nach Santiago vorausgeschickt. Anschließend gehen wir zur Pilgerherberge im Priesterseminar von Santiago. Die Herberge ist groß, sauber und hat richtig normale und keine
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