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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
Autoren: Birgit Schlieper
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hatte Sonja Kessler auf die große Karriere verzichtet. Gerne verzichtet. Sie liebte ihre Arbeit, aber auch ihre Tochter. Es war nicht immer einfach, aber sie hatte in Teilzeit weitergearbeitet und abends statt Zeugenaussagen Kinderbücher gelesen. Nach Franzis Geburt war ans Arbeiten lange nicht zu denken. Erst jetzt geht die Anwältin vorsichtig wieder ihrem Beruf nach. Und sie hatte sofort wieder Blut geleckt. Als hausinterne Rechtsberatung einer großen Firma hatte sie eine neue Herausforderung gefunden.
    »Ich kann mich doch um Franzi kümmern«, bietet Zoe an.
    Sie sieht, wie es in den Augen ihrer Mutter aufblitzt, wie gerne diese sich auf ihre Arbeit stürzen möchte – und sich nicht traut.
    »Musst du keine Hausaufgaben machen?«
    »Ist ein Klacks. Kann ich auch nachher machen«, beruhigt Zoe sie.
    Sonja Kessler springt auf, drückt Zoe einen Kuss auf die Stirn. »Du bist ein Schatz.«
    Zoe verzieht das Gesicht. Dass sie sich jetzt um Franzi kümmert, ist doch wohl das Mindeste, was sie machen kann. Wenn sie es schon nicht ungeschehen machen kann. Mit ausdauernder Geduld guckt sie mit ihrer Schwester Bilderbücher an. Immer wieder die gleichen. Sie kennt jedes Bild. Könnte jede Seite mit geschlossenen Augen beschreiben. Und Franzi will immer wieder dieselben Bilder sehen. Begeistert zeigt sie auf die Kuh, den Hund, die Katze und es scheint, als würde sie sich freuen. Mehr kann Zoe nicht erwarten. Nicht von ihrer Schwester, die so anders ist als die anderen Mädchen in dem Alter.
    Mitten in den Hausaufgaben ruft Kim an. Erst versteht Zoe gar nicht, wer sich da am Telefon meldet. Es ist nur ein Schniefen zu hören. Dann wird laut eine Nase geputzt.
    »Kim? Bist du das?«
    »Ja. Habe ich doch schon gesagt.«
    »Ich konnte dich nicht so sehr gut verstehen. Was hast du denn noch gesagt bis jetzt?«
    »Dass ich eine Krise kriege. Eine Mega-Krise. Ich hatte einen ätzenden Streit mit meinen Eltern. Die spinnen jetzt total.«
    »Worum ging es?« Zoe steht vom Schreibtisch auf, lässt sich aufs Bett fallen. Vermutlich dauert es länger.
    »Sie haben mir knallhart gedroht. Die erpressen mich. Wenn ich in der Mathearbeit morgen nicht mindestens eine Drei schreibe, streichen die mir das Reiten. Für die nächsten drei Monate. Kannst du dir das vorstellen? Das ist so gemein von denen.«
    Kim fängt wieder an zu weinen. Zoe lässt die zweite Welle vorbeirauschen, ehe sie was sagt.
    »Dann schreib doch einfach eine Drei«, schlägt sie ganz gelassen vor.
    »Du hast gut reden. Du hast dir wahrscheinlich das Buch nur einmal unters Kopfkissen gelegt und gehst mit einer Zwei nach Hause. Es gibt aber Menschen, denen fliegt das nicht so zu«, blafft Kim zurück.
    Zoe sagt nichts darauf. Was sollte sie auch sagen?
    »Zoe, ich weiß nicht, was ich machen soll. Wenn ich drei Monate nicht in den Stall darf, sterbe ich. Dann ist mein Pflegepferd weg, dann muss ich wieder die Schulgäule striegeln und bei denen ausmisten. Da kriege ich einen Anfall.«
    »Ich sage doch, schreib die Drei. Ich hätte da auch einen Vorschlag.«
    »Eine Gehirntransplantation wirst du über Nacht nicht hinkriegen.«
    »Ich schreibe dir die Lösungen auf. So einfach geht das.«
    »Klar. So einfach. Du stehst mitten in der Arbeit auf, kommst zu mir geschlendert, legst mir die Lösungen auf den Tisch und setzt dich brav wieder. Hört sich ja wirklich nach einem Superplan an.«
    »Ich wollte es eigentlich ein bisschen anders machen. Ich dachte, ich verstecke dir den Zettel auf der Toilette. Im Klopapier.«
    Kim schluchzt nicht mehr. Sie ist plötzlich verstummt. Denkt über den Vorschlag nach. Natürlich dürfen die Schüler während einer Arbeit auf Toilette gehen. Es gibt dafür ein besonderes WC neben dem Klausurraum. In dem Klo ist eigentlich keine Möglichkeit, irgendetwas zu verstecken. Kein Spiegel, hinter den man was schieben könnte. Kein Wasserkasten, in dem man eine Nachricht deponieren könnte. Kein Behälter für Papierhandtücher, nur ein fieses einfaches Frottee-Handtuch. Manche Lehrer gucken sogar unter der Toilettenbrille nach, wenn ein Schüler das WC benutzt hat. Aber die Idee mit dem Zettel in der Klopapierrolle hörte sich gut an …
    »Zoe, wenn das auffliegt, bekommst du eine Sechs für Mogeln. Dann bist du auch dran«, sagt Kim zaghaft.
    »Es wird nicht auffliegen. Mach dir keine Sorgen. Ich beeile mich morgen total und sehe zu, dass ich so schnell wie möglich aufs Klo gehe und den Zettel deponiere. Du musst nur drauf achten, dass du
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