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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
Autoren: Birgit Schlieper
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wieder richtig wütend erlebt.
    »Die wissen genau, dass ich nachmittags nicht kann. Die haben das Meeting bestimmt extra so gelegt, damit ich nicht komme. Das sind solche Ignoranten«, hatte sie sich aufgeregt.
    Zoe hatte sie beruhigt: »Dann zeigst du es ihnen erst recht. Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um Franzi«.
    »Meinst du, du schaffst das? Das wären bestimmt zwei, vielleicht sogar drei Stunden?«
    »Mami, ich werde Franziska dermaßen bespaßen, dass die gar nicht merkt, dass du nicht da bist.«
    Frau Kessler hatte lange gezögert, ihre große Tochter immer wieder prüfend angesehen. »Danke, Zoe. Ich glaube auch, dass du das schaffst«, hatte sie schließlich eingewilligt.
    Als Zoe den Schlüssel ins Schloss stecken will, wird die Tür von innen aufgerissen. Ihre Mutter steht schon parat. Graues, schmales Kostüm, lila Bluse, schwarze Aktentasche, dezentes Make-up.
    »Wow, bewirbst du dich zur Business-Frau des Jahres? Meine Stimme hast du«, lacht Zoe.
    Frau Kessler lächelt gequält.
    »Dein Essen steht in der Mikrowelle. Franzi hat schon gegessen, kann aber sein, dass sie gleich noch mal Hunger bekommt. Dann kannst du ihr ein bisschen Banane geben. Aber die musst du gut zerdrücken. Ganz fein, ja? Und für alle Fälle habe ich dir die Nummer von der Klinik an die Pinnwand geheftet, okay? Ich versuche so schnell wie möglich wieder da zu sein«. Die Worte prasseln auf Zoe ein.
    Die zieht sich in aller Ruhe die Schuhe aus, verstaut ihre Jeansjacke in der Garderobe. Ganz leicht legt sie ihre Hand auf den Rücken ihrer Mutter, schiebt diese sanft Richtung Tür.
    »Viel Erfolg, Mama. Ich habe hier alles im Griff.«
    Lange steht Zoe in der Tür zu Franziskas Zimmer und sieht ihrer schlafenden Schwester zu. Ganz vorsichtig schlägt sie die Füße mit der Kuscheldecke ein, damit die nicht kalt werden. Ganz zart streichelt sie die kleine, kühle Hand, die sich durch die Berührung unnatürlich zusammenkrampft. Vom Gemüseauflauf probiert sie nur kurz. Ihre Mutter hat es wieder sehr gut gemeint mit den Kalorien. Zoe fischt sich ein paar Paprika- und Zucchini-Stücke raus und holt sich dann einen Joghurt aus dem Kühlschrank. Geschmacks- und fettfrei. Die Fünfzehnjährige ist nicht zufällig so schlank. Eine Diät hat sie nicht nötig. Noch nie gehabt. Zoe ist und isst kontrolliert. Sie freut sich richtig, als sie Gebrabbel aus dem Kinderzimmer hört. Sie schiebt ihre Schwester ins Wohnzimmer, füttert sie schnell und geübt mit Bananenmatsch und rückt dann den schweren Sessel an die Wand. Sie braucht jetzt Platz. Franzi weiß schon, was kommt. Sie beobachtet Zoe ganz genau. Die schiebt sich die Stöpsel ins Ohr und drückt auf Play. Natürlich wäre es besser, wenn Franzi die Musik auch hören könnte. Aber Zoe braucht die Musik laut. Sehr laut. Es muss so dröhnen, dass es ganz kurz vorm Schmerz ist. Und das kann sie der kleinen Schwester natürlich nicht zumuten. Aber die hat auch so Spaß, beobachtet interessiert, wie Zoe sich bewegt. Christa hatte Zoe letzte Woche die CD gebrannt. Seitdem begleitet sie der afrikanische Beat. Am Anfang setzt sie ihre Füße noch bewusst, sie konzentriert sich auf die Bewegungen, die Abläufe. Zwischendurch grinst sie immer wieder Franzi an, die ihr gebannt zusieht. Nach und nach nimmt der Rhythmus Besitz von Zoe. Über die Gehörgänge schleicht er sich in ihren Körper. Sie schließt die Augen, spürt den Bass in sich vibrieren. Sie ist nicht mehr Herrin im eigenen Haus. Sie zuckt und biegt sich, windet sich. Ihre Beine stampfen, sie schmeißt den Kopf nach hinten, sackt nach vorne, reißt sich wieder hoch. Die Musik verschlingt sie wie ein Sog. Wie in einem Sturm auf hoher See wird sie herumgeschleudert, ausgespuckt, wieder verschlungen.
    Als sich irgendwann eine Hand auf ihre Schulter legt, wird sie schlagartig wach. Sie fährt herum, sieht ihrem Vater ins Gesicht.
    »Was machst du hier?«, brüllt sie ihn an. Zoe ist völlig irritiert.
    Stefan Kessler zuckt zurück. Er ist es nicht gewohnt, von seiner Tochter so angeschrieen zu werden. Vorsichtig zieht er ihr die In-ears raus.
    »Du musst nicht so brüllen. ICH kann dich hören.«
    Er hält den kleinen Ohrstöpsel hoch. Auch auf die Entfernung ist der Rhythmus noch eindringlich. Stefan verzieht das Gesicht.
    »Es würde mich nicht wundern, wenn du innerhalb weniger Monate gänzlich taub wirst. Das muss doch wehtun.«
    »Nö. Tut mir ganz gut. Außerdem gefällt es Franzi, wenn ich für sich tanze.«
    »Das sieht
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