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Eismord

Eismord

Titel: Eismord
Autoren: Giles Blunt
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zu telefonieren. Mausetot. Fast im Kriechen schaffte er es schließlich bis zur Hütte zurück und betete, dass Delorme noch am Leben war.
    Diesmal streifte der Schuss tatsächlich seinen Arm und zerriss den Ärmel seines Parkas. Er traf nicht auf Knochen, nicht einmal ins Fleisch, sondern brannte ihm nur direkt über dem Ellbogen eine Furche in die Haut. Er warf sich flach auf den Boden und spähte durch den Busch zum oberen Rand der Böschung. Der Scharfschütze war ein Geist, eine Gespenstererscheinung aus der Folklore der Ureinwohner, die geräuschlos durch den Wald huschte.
    Falls es sich dabei um den Mann handelte, der sich durch seinen Bluff in die Hütte eingeschlichen hatte, war Delorme entweder schon tot, oder sie hatte ihn hinausgejagt. Ein weiterer Schuss peitschte durch die Zweige über seinem Kopf. Cardinal stürzte denselben Weg zurück, den er gekommen war, von der Hütte weg. Falls er es bis zum Kreeger-Haus schaffte, konnte er sich diesem Irren gegenüber vielleicht einen Vorteil verschaffen und hinterher zu Delorme zurückkehren. Der Gedanke hätte keiner vernünftigen Analyse standgehalten, und so versuchte er es gar nicht erst. Er arbeitete sich einfach weiter durchs Gebüsch, über die Felsen und durch das Wasser. Nach einer Weile öffnete sich die weiße Platte eines Sees, auf dessen anderer Seite er die blassen Konturen des Hauses erkennen konnte. Ein Donnerschlag zerriss die Luft, und Blitze sprühten Funken über die Bäume. Falls derjenige mit dem Gewehr hier herunterkommt, möchte ich nicht ohne Deckung über die Eisfläche laufen, dachte Cardinal. Ganz bestimmt nicht.
    Und so arbeitete er sich – immer im Schutz der Bäume – im Uhrzeigersinn um den See herum. Auf diese Weise würde er von hinten zum Haus gelangen, so dass es ihm Schutz bot. Bis er die Bäume dort erreicht hatte, waren auch die Blitze nach Westen mitgezogen, als hätten sie mit ihm persönlich eine Rechnung zu begleichen. Mehrere gingen zwischen den Bäumen nieder, und der Donner schickte ihm Schockwellen durchs Zwerchfell. In einem der schneebedeckten Fahrzeuge vor dem Haus löste er Alarm aus.
    Der Schnee war jetzt fast in Regen übergegangen. Cardinals Parka war nicht wasserdicht. In wenigen Minuten waren die Schultern mit eiskaltem Wasser vollgesogen.
    Er umkreiste das Haus so weit, bis er die Seitentür sehen konnte. Links von ihm eine Baracke. Wenn du eine Geisel genommen hättest, fragte er sich, wo würdest du sie aller Wahrscheinlichkeit nach einsperren?
    Er lief zur Hütte und spähte in beiden Richtungen durch die Bäume. Von dem Schützen war weit und breit nichts zu sehen. Immer noch dröhnte der Autoalarm. Er trat ans rückseitige Fenster und schaute hinein. Er blickte in einen Schlafraum. Niemand da, nur spärlich ausgestattet. Ein Tisch. Es war dunkel, aber nicht so dunkel, dass er die Leiche auf dem Boden nicht gesehen hätte. Er konnte genug erkennen, um sich davon zu überzeugen, dass es nicht Lloyd Kreeger war und dass der Unbekannte schon geraume Zeit tot war. Damit war klar, dass in dieser Hütte sonst niemand mehr sein konnte – nicht auszuhalten.
    Er trat in den Schatten zurück. Donnergrollen, das sich allmählich verzog, Regen, der ihm bis auf den Rücken und die Brust drang. Sein Arm brannte. Der Autoalarm setzte plötzlich aus, und der Regen prasselte laut auf die Blockhütte und die Bäume. Er spähte noch einmal in den Wald und rannte zur Seitentür des Hauses.
    Er drückte die Klinke. Nicht abgeschlossen. Er schob die Tür auf.
    Drinnen Dämmerlicht. Direkt vor ihm ein Tisch, dahinter das Wohnzimmer, rechts im Hochparterre ein, zwei Schlafzimmer. Es war ein Szenario, das sie sich an der Polizeiakademie in Aylmer ausgedacht haben könnten. Sei bereit zu schießen, und falls du es tust, dann schieß mit der Absicht zu töten – aber sei dir darüber im Klaren, dass durch diese Türen jederzeit ein Opfer oder Unbeteiligter kommen könnte.
    Cardinal trat in den Küchenbereich und war sich dabei der Treppe in der Ecke hinter ihm, die in den Keller führen musste, nur allzu bewusst. Das Bad war leer. Er kam zu der ersten Schlafzimmertür, machte sie auf und sah ins Zimmer. Niemand da. Er stand im Rahmen und wusste, während er angestrengt horchte, dass dieses Zittern in den Knien nur zum Teil von der Kälte kam.
    Er ging weiter zur letzten Tür am Ende eines kurzen Flurs.
    Eine Stimme hinter ihm sagte: »Legen Sie die Waffe ab.«
    Cardinal wirbelte in einer einzigen Bewegung herum und
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