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Eiskalter Wahnsinn

Eiskalter Wahnsinn

Titel: Eiskalter Wahnsinn
Autoren: Alex Kava
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Regalen, dem Schreibtisch, dem Gästestuhl und sogar dem Boden verteilt. An manchen Tagen fand er nur mit Glück einen Weg zu seinem Schreibtisch, unter dem es auch nicht viel besser aussah. Dort stand eine Reisetasche mit Laufschuhen, Shorts und Socken, von denen einige – besonders die schmutzigen – irgendwie nie in der Tasche blieben. Wenn er so darüber nachdachte, erklärten sie möglicherweise den seltsamen Geruch, der sich seit neuestem in seinem Büro breit machte. Er vermisste ein Fenster. In Cleveland hatte er ein Eckbüro im dritten Stock gehabt und es hier in Quantico gegen eine fensterlose Schuhschachtel vier Stockwerke unter der Erde eingetauscht. Ihm fehlte die frische Luft, besonders in dieser Jahreszeit. Der Herbst war ihm immer die liebste gewesen, zumindest früher einmal, vor seiner Scheidung.
    Seltsam, wie er seine Erinnerungen in letzter Zeit einteilte: vor der Scheidung und nach der Scheidung. Vor der Scheidung war er viel organisierter gewesen, jedenfalls nicht so chaotisch wie jetzt. Seit dem Umzug nach Quantico kam er irgendwie nicht mehr zu Potte. Nein, das stimmte nicht. Es hatte wenig mit dem Umzug zu tun. Seit seiner Scheidung von Caroline war sein Leben ein einziges Chaos. Ja, es war die Scheidung, die seinen Absturz bewirkt hatte, dieses Trudeln in die Unorganisiertheit. Vielleicht war es das, was ihn an O’Dells Haltung so störte. Sie schien das Ende ihrer Ehe als eine Art Befreiung zu empfinden. Vielleicht beneidete er sie ein wenig.
    Er wartete, während O’Dell weitersuchte, das Surren der Faxmaschine ignorierend. Er hätte gern etwas gesagt, um ihre gute Laune wiederherzustellen. Etwas wie: „Was? Kein farbcodiertes Aktensystem?“ Doch ehe er das sagen konnte, bemerkte er, dass die herausgezogenen Akten alle eine rote Markierung trugen. Er rieb sich das Gesicht, um sein Lächeln zu verbergen. Warum konnte er bei dieser Berechenbarkeit seiner Partnerin nicht vorhersagen, was sie vorhatte? Zum Beispiel, wie lange sie ihn noch mit dem letzten Doughnut reizen wollte. Sie hatte ihn in der Zellophanhülle aus der Cafeteria mit ins Büro gebracht und auf die Ecke ihres Schreibtisches gestellt – und da stand er nun und führte ihn in Versuchung.
    Schließlich stopfte sie die Akten in ihre Tasche und begann, die Faxseiten einzusammeln. „Sie heißt Joan Begley“, sagte O’Dell, las die Informationen und ordnete die Seiten. „Sie ist seit über zehn Jahren Gwens Patientin.“
    Gwen. Tully gestattete sich immer noch nicht, sie beim Vornamen zu nennen. Für ihn war sie Dr. Gwen Patterson. Psychologin in Washington, beste Freundin seiner Partnerin und manchmal Beraterin des FBI für ihren Boss, den stellvertretenden Direktor Cunningham. Für gewöhnlich machte sie ihn ein bisschen wahnsinnig mit ihrem arroganten, allwissenden Psychogequatsche. Dass sie rötlich blondes Haar und schöne Beine hatte, machte die Sache auch nicht besser.
    Letzten November hatten sie sich während der Ermittlungen an einem gemeinsamen Fall hinreißen lassen, sich zu küssen. Es war nicht bloß ein Kuss gewesen, es war … ach, egal. Danach waren sie übereingekommen, dass sie einen Fehler begangen hatten und die Sache vergessen wollten. O’Dell sah ihn an, als erwarte sie eine Antwort. Da erst wurde ihm bewusst, dass er eine Frage überhört hatte. Pattersons Schuld.
    „Tut mir Leid, was hast du gesagt?“
    „Sie war oben in Connecticut zur Beerdigung ihrer Großmutter. Seit Samstagabend hat niemand mehr etwas von ihr gehört oder gesehen.“
    „Es kommt mir merkwürdig vor, dass Dr. Patterson sich so um eine Patientin sorgt. Gab es da eine persönliche Beziehung?“
    „Also wirklich, Agent Tully, es wäre wohl höchst unprofessionell von mir, Dr. Patterson diese Frage zu stellen.“ Sie sah ihn lächelnd an, was ihn nicht davon abhielt, die Augen zu verdrehen. O’Dell mochte organisiert sein, aber in puncto Protokoll und Verfahrensweisen, manchmal auch bei schlichter Höflichkeit, vergaß sie geflissentlich, wem sie auf die Füße trat. „Also nur zwischen dir und mir, ich halte es auch für ein wenig seltsam.“
    „Und was wirst du nun machen?“
    „Ich habe ihr gesagt, ich würde es überprüfen, also werde ich es wohl überprüfen.“ Maggie klang dabei ganz lässig. „Kennst du jemanden von der Polizei in Connecticut, den ich anrufen könnte?“ fragte sie und konzentrierte sich bereits wieder auf einen anderen rot gekennzeichneten Aktenorder, den sie auf dem Tisch vergessen hatte. Sie
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