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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer
Autoren: Wolf S. Dietrich
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kommt mal rein, Jungs. Ihr müsst euch ja wohl erst mal aufwärmen. Eure Klamotten könnt ihr da aufhängen.“ Er wies auf einen Garderobenständer.
    Während die jungen Männer den Schnee von ihren Parkas schüttelten, erschien Susanne Clasen und musterte neugierig die Besucher. Ihr Vater wies mit dem Daumen in Richtung Küche. „Bring mal den Köm, Susi. Die Herren brauchen was zum Aufwärmen.“
    Seine Tochter nickte, machte aber keine Anstalten, der Aufforderung zu folgen. „Erst möchte ich unseren Besuch begrüßen.“ Sie streckte die Hand aus, die Sven und seine beiden Freunde nacheinander schüttelten. „Guten Abend. Ich bin Susanne. Die Tochter. – Hattet ihr eine Panne?“
    Jan schüttelte den Kopf. „Panne kann man nicht sagen. Wir sind auf der Autobahn liegen geblieben, weil ein Lkw quer lag. Und bei dem Schnee kann es Stunden dauern, bis die Straße wieder frei ist.“
    „Dann übernachtet ihr bei uns?“ Susannes Frage klang eher wie eine Feststellung.
    „Nein, nein“, beeilte sich Sven zu versichern. „Wir wollten nur telefonieren. Mein Schwager kann uns abholen.“
    „Das wird wohl nichts werden“, mischte sich Claas Clasen ein. „Mit dem Auto kommt hier keiner mehr durch. Inzwischen wahrscheinlich nicht mal mehr mit ‘nem Traktor. Völlig aussichtslos.“
    „Meinen Sie wirklich?“ Entgeistert starrten die Besucher den Hausherrn an. „Mein Schwager hat einen Unimog.“
    Clasen schüttelte den Kopf. „Der nützt jetzt auch nichts mehr. Hört euch mal den Wind an. In der Senke zwischen uns und dem Dorf lag vorhin schon ein Meter Schnee. Jetzt sind es bestimmt anderthalb. Und in einer halben Stunde zwei. Da kommt auch der Unimog nicht mehr durch.“
    „Also werdet ihr bei uns übernachten müssen“, stellte Susanne Clasen fest. „Ob ihr wollt oder nicht. Telefonieren könnt ihr natürlich trotzdem. Zu Hause Bescheid sagen oder so.“ Sie deutete auf das Telefon in der Diele. „Und jetzt hole ich den Schnaps.“
    Wortlos starrten die jungen Männer ihr nach.
    Claas Clasen kam eine Idee. „Sagt mal, Jungs, könnt ihr Skat spielen?“
    Die Besucher nickten.
    Dem Bauern schien die stumme Antwort zu gefallen. Er strahlte zufrieden. „Lasst eure Taschen erst mal hier stehen. Susanne zeigt euch später, wo ihr schlafen könnt. Und kommt mit. Jetzt gibt’s erst mal ‘n kleinen Köm. Und dann spielen wir eine ordentliche Runde. Zu essen ist auch genug da. Ich heiße übrigens Claas.“
    Er führte sie in die bäuerliche Stube und wies auf den vorbereiteten Spieltisch. „Heute ist nämlich mein Skatabend.“

3
    Stumm gingen die Menschen auseinander. Nur hier und da äußerte der eine oder andere Zweifel. Was der Betriebsratsvorsitzende erklärt hatte, erschien einerseits einleuchtend, andererseits utopisch. Und mancher hatte Mühe, sich vorzustellen, wie eine Fabrik funktionieren sollte, die allen gehörte. Wie man zu Entscheidungen kommen sollte, wenn jeder mitbestimmen konnte. Ehlers hatte von einem Aufsichtsrat gesprochen, in den einige von ihnen gewählt werden müssten. Von der Verantwortung jedes einzelnen Anteilseigners und von der Notwendigkeit, die Produktion effektiver zu gestalten, die Arbeitsabläufe zu straffen und die Belegschaft zu verkleinern. Sie würden selbst entscheiden müssen, wer entlassen werden sollte. Eine ungewohnte Vorstellung. Früher war alles viel einfacher gewesen. Als der Alte noch da war. Knud Behrendsen hatte die Firma CuxFrisch Ende der fünfziger Jahre, als sie noch Cuxhavener Frischfisch hieß, von seinem Vater übernommen und zu einem modernen Produktionsbetrieb ausgebaut. Er war ein strenger Chef gewesen, hatte weder Bummelei noch Unpünktlichkeit geduldet. Aber er hatte seine Arbeiter gut bezahlt und sich um die Familien gekümmert, wenn einem seiner Leute etwas zugestoßen war. Seit der Junior die Firma übernommen hatte, gaben wechselnde Geschäftsführer bei der CuxFrisch den Ton an. Von Rainer Behrendsen sahen sie meistens nur den Porsche, wenn er dem Betrieb einen Besuch abstattete.

    „Das hast du gut hingekriegt. Alle Achtung.“ Carlos Rodriguez war Ehlers in den Vorraum zu den Büros gefolgt. „Aber glaubst du wirklich, dass sich die Banken auf so ein Modell einlassen?“
    Ehlers hob die Schultern. „Keine Ahnung. Aber wir müssen es versuchen. Es ist der einzige Weg aus der Misere. Wenn überhaupt.“
    „Vielleicht sollten wir die Produktion auf Salzfisch umstellen“, schlug Rodriguez vor. „In meiner Heimat ist Bacalao immer
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