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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
Autoren: Astrid Korten
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seiner Tür vorbeigehen, sieht, wie der Mann Geldscheine auf den Küchentisch legt und sich auszuziehen beginnt, sieht, wie die makellosen Hände seiner Mutter den fremden Körper streicheln.
    Er war ein schönes Kind mit dunklen Locken, großen braunen Augen, einer feingeschnittenen Nase und vollen Lippen. Aber sie beachteten ihn nicht, die Stiefel , wie er die Männer in Soldatenuniform nannte. Sie nahmen keine Rücksicht auf ihn, der nachts in der Küche Schlaf suchte, auf einer Matratze, die zwischen verschimmelten Einweckgläsern ausgelegt war.
    Sie ließen sich hemmungslos treiben. Er hörte das furchterregend tiefe Stöhnen und die spitzen, gellenden Schreie seiner Mutter, mit denen sie die Gier immer wieder anpeitschte. Auch sie hatte dann kein Auge für ihn, wie er zitternd im Bett den Abgründen der Verdammnis lauschte, bis sie sich irgendwann am frühen Morgen zu ihm legte und er sich fragte, ob ein Engel oder die Brut der Hölle da neben ihm lag.
    Schon früh keimte in ihm der Wunsch, das keifende, abgründige Tier in ihr zu vernichten. Dabei war sie doch der einzige Engel, den es für ihn gab, ein Engel in einem verblichenen blauen Morgenrock, dem seine ganze Sehnsucht galt.
    Trost fand er erst immer am nächsten Tag in der Natur, auf den nahe gelegenen Wiesen und unter den Alleenbäumen der Hauptstraße.
    Wenigstens dort blühte das Leben. Wenn er die farbenfrohen Vögel und den blauen Himmel sah, träumte er von einem sorgenfreien Leben, das er eines Tages mit ihr führen würde, vielleicht sogar in einem fernen Land. Ein Leben, das die nächtlichen Stunden in den kalten Bruchsteinwänden des Schlafzimmers, in dem er sie fingernägelkauend durchs Schlüsselloch beobachtete, vergessen ließ. Er würde ein Leben führen ohne diese dumpfe sinnlose Wut, mit der er jetzt an seiner Puppe zerrte, bevor er sie in eine Ecke warf.
    Oft endeten die Tränen erst im Laufe der Nacht, und sein Schluchzen verebbte, doch schlafen konnte er meist auch dann nicht. Immer wieder stand er auf, sehnte sich nach seinem Engel und versuchte, durch das Schlüsselloch direkt in ihre Augen zu schauen, um seine Qual zu lindern.
    Er bildete sich ein, dass sie ihn anlächelte und ihm zärtlich übers Haar strich, doch beim Anblick des fremden Wesens verwandelte sich seine Sehnsucht jedes Mal in Angst und Zorn. Die Furie trieb ihn in den Wahnsinn, bis sich im Morgengrauen die knirschenden Schritte der Stiefel entfernten und den Beginn eines neuen Tages ankündigten. Dann wusste er, dass er wieder einmal heldenhaft eine Nacht überstanden hatte.
    Helden töteten und wurden getötet, hatte sein Vater ihm gesagt, und er fragte sich, wie viele Helden sein Vater getötet haben mochte, bevor er selbst im Krieg dem Feind erlegen war. Wenn er nach einer solchen Nacht in den blauen Morgenhimmel sah, erfasste ihn stets eine sehnsüchtige, träumerische Stimmung.
    „Ich bin nicht nur ein Held, ich bin viel mehr. Ich bin ein Prinz und schön wie die Liebe“, flüsterte er.
    Aber niemand hörte ihn .
    ***
    In seinen Schläfen begann es dumpf zu pochen, als die Gegenwart sich wieder einstellte.
    Jakob schaute auf seine Armbanduhr und erschrak. Zu lange hatte er dagestanden und sich erinnert und dabei die Zeit vergessen. Er stieg rasch ins Auto und fuhr davon. Sein Kopfschmerz dröhnte, sein Herz klopfte bis zum Hals. Er hatte nur Julia auf dem Rücksitz im Sinn, spürte ihre körperliche Anwesenheit und wusste nicht, ob er vor Glück schreien sollte oder ob gerade ein neuer Alptraum begann. Er brauchte dringend ein paar Aspirin und einen Kaffee. Dreißig Minuten später bog er in den Waldweg ein und hielt vor seiner Blockhütte.
    Nebel stieg vom Teich auf und zog waldeinwärts, über den einsamen Teil des Waldes und seine seltsamen Mondlandschaften hinweg – bis er sich schließlich zwischen den geisterhaften Weiden und Silberpappeln niederließ. Von weitem ragte gespenstisch ein Baum empor, auf dem reglos Hunderte von Kormoranen saßen.
    Stille lag auch über der alten Blockhütte und dem danebenliegenden Schuppen. Es war jetzt kurz nach zwei Uhr. Der kommende Tag würde ein Tag des Wartens werden, ein Tag der Vorfreude auf das Finale in der kommenden Nacht.
    Er ging in die Hütte und sah in den Spiegel über dem Kamin. Tränen rannen über seine Wangen, während das Gesicht nur Härte zeigte.
    „Ich werde mir Zeit lassen“, flüsterte er wenig später, während er Milch und Zucker in seinen Kaffee rührte.
    ***
    Sonntagnacht
    Zuerst
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