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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz
Autoren: Giles Blunt
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Sie hat nicht begriffen, dass ihr Therapeut
wollte
, dass sie sich das Leben nahm, und als sie einfach nicht dazu zu bringen war, konnten Sie es nicht länger ertragen und mussten sie eigenhändig umbringen.«
    »Das würde Ihnen so passen. Denn wie würden Sie dastehen, wenn sie tatsächlich Selbstmord begangen hätte? Der große Detective. Der Ritter in der glänzenden Rüstung. Was bleibt von ihm, wenn er nicht mal in der Lage ist, seine eigene Frau zu retten? Wenn sie es nicht mehr mit ihm aushält? Wenn sie sich lieber umbringt, als noch einen Tag mit ihm zu verbringen? Wenn sie ihn so abgrundtief hasst, dass sie ihrLeben lieber wegwirft, anstatt es an seiner Seite zu verbringen? Der Gedanke ist einfach unerträglich, nicht wahr, Detective?«
    »Ich habe nicht gesagt, ich glaube, dass Sie sie ermordet haben«, erwiderte Cardinal ungerührt. »Ich sagte, ich weiß es.«
    Er hielt die kleine Plastiktüte hoch.
    »Was ist das?«
    »Das ist ein Speicherchip, Dr. Bell. Aus Catherines Kamera.«
    »Warum sollte der mich interessieren?«
    »Catherine hat Sie fotografiert, als Sie aufs Dach gekommen sind. Das hat sie immer gemacht – sie hat jeden in ihrer Nähe fotografiert, wenn sie gerade bei der Arbeit war. Jeden. Sie war ein schüchterner Mensch, und ihre Kamera war für sie eine Art Schutzmechanismus. Sie wussten, dass sie Sie fotografiert hat, und deswegen haben Sie ihre Kamera mitgenommen, als sie den Tatort verlassen haben. Sie sind unten auf den Parkplatz gegangen, wo sie lag, und haben die Kamera an sich genommen. Wahrscheinlich waren Sie in dem Augenblick viel zu erregt, um zu bemerken, dass sie zerbrochen und der Chip herausgefallen war. Das wird ja eine herbe Enttäuschung gewesen sein, als Sie zu Hause ankamen und feststellen mussten, dass die Kamera leer war. Das hätte ich wirklich gern miterlebt. Besser als Heroin, garantiert. Tja, ich habe gesehen, was sich auf dem Chip befindet, und ich würde sagen, Ihr Leben ist damit mehr oder weniger beendet.«
    »Sie war manisch-depressiv, Detective. Und zwar seit Jahrzehnten. Wie oft ist sie in die Klinik eingewiesen worden? Zehnmal? Zwanzigmal?«
    »Ich hab’s nicht gezählt.«
    »Irgendwann hätte sie sich sowieso umgebracht.«
    »Beruhigen Sie damit Ihr Gewissen? Hilft Ihnen das, nachts Schlaf zu finden?«
    »Also, machen Sie schon, erschießen Sie mich.«
    »Das hätten Sie wohl gern, was?«
    »Los, schießen Sie. Ich habe keine Angst.«
    »Tut mir leid, Dr. Bell. Den Gefallen wird Ihnen niemand tun. Das werden Sie schon selbst erledigen müssen.«
    Cardinal ließ seine Beretta sinken.
    Bells Hand zitterte noch stärker.
    »Ich werde Sie töten«, sagte er. »Sie wissen, dass ich dazu fähig bin.«
    »Ich bin nicht derjenige, den Sie töten wollen, Dr. Bell. Ich bin keiner von Ihren Patienten. Keiner von den Jammerlappen, wie Sie sie so mitfühlend nennen. Mich umzubringen hilft Ihnen überhaupt nicht.«
    Mit einer plötzlichen, ruckartigen Bewegung richtete Bell die Luger auf seine eigene Schläfe.
    »Genau das wollen Sie schon seit Jahren tun, nicht wahr?«, sagte Cardinal.
    Schweißperlen bildeten sich auf Bells Stirn. Er kniff die Augen fest zu. Eine einzelne Träne lief über seine Wange in seinen Bart.
    »Machen Sie schon. Sie wollen doch nicht den Rest Ihres Lebens im Gefängnis verbringen, oder?«
    Die Luger in Bells Hand wankte. Er zitterte am ganzen Körper. Schweiß rann ihm über das gerötete Gesicht.
    »Sie bringen es nicht fertig, stimmt’s?«
    Bell stöhnte, dann begann er zu schluchzen. Die Luger fiel zu Boden und polterte die Treppe hinunter. Cardinal hob sie auf.
    »Ich glaube, wir beide haben heute gute Arbeit geleistet, Dr. Bell. Ich würde sagen, wir sind bis zu den Wurzeln Ihres Problems vorgestoßen. Jetzt haben Sie ein paar Jahrzehnte Zeit, um sich damit auseinanderzusetzen.«

52
     
    D ie Tage vergehen, und der Herbst weicht allmählich dem Winter. Es ist Mitte November, und die Bäume sind kahl. Äste und Zweige ragen schwarz in den Winterhimmel. An den Straßenrändern, in Rinnsteinen, auf Verandastufen vor Garagentüren, auf Terrassen und auf Fensterbänken hat sich nasses Laub gesammelt. Die Rasenflächen liegen nicht länger unter bunten, duftigen Decken verborgen, sondern sind nach dem Regen von einer zähen, glitschigen Blätterschicht bedeckt, die sich überall in Algonquin Bay in den Gärten, auf den Gehwegen, in den Einfahrten und sogar in den Radschächten der Fahrzeuge gebildet hat.
    Die Temperaturen sind weiter
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