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Eisberg

Titel: Eisberg
Autoren: Clive Cussler
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lediglich gebannt auf die weiße Bergspitze starren, die unheildrohend aus dem Meer emporragte, und Vermutungen über das Geheimnis anstellen, das unter ihrem Eismantel begraben lag.
    Schließlich lehnte Neth sich in seinen Sessel zurück, bis er fast waagrecht lag, und gab sich wieder als der alte, durch nichts aus der Ruhe zu bringende Kapitän: »Ich würde vorschlagen, Lieutenant, daß Sie uns heimfliegen, bevor die Benzinuhren auf Null stehen. Es sei denn, Sie haben ein unbezwingliches Verlangen, mit dieser Klapperkiste zu wassern.« Er grinste anzüglich. »Und bitte, keine Verzögerungen mehr.«
    Rapp warf Neth einen vernichtenden Blick zu, dann zuckte er die Achseln und brachte das Patrouillenflugzeug zum zweiten Mal auf Kurs Neufundland.
    Als die Maschine der Küstenwache verschwunden und das gleichmäßige Dröhnen ihrer Motoren in der kalten, salzigen Luft verklungen war, lag der turmhohe Eisberg wieder eingehüllt in Totenstille, wie während des ganzen Jahres, das vergangen war, seit er an der Westküste Grönlands von einem Gletscher ins Meer geglitten war.
    Plötzlich bewegte sich aber knapp über der Wasserlinie etwas. Zwei verwischte Schatten verwandelten sich unmerklich in zwei Männergestalten, die sich langsam erhoben und in Richtung des Flugzeugs, das verschwunden war, blickten. Für das bloße Auge waren sie aus einer Entfernung von mehr als zwanzig Schritten schon nicht mehr erkennbar – beide trugen weiße Schneeanzüge, die vollkommen vor dem farblosen Hintergrund verschwanden.
    Sie standen lange Zeit da, warteten und horchten geduldig. Dann, als sie sicher waren, daß das Flugzeug nicht zurückkehren würde, kniete einer der beiden Männer sich nieder, scharrte das Eis beiseite und holte ein kleines Funkgerät hervor. Er zog die drei Meter lange Teleskopantenne aus, stellte die Frequenz ein und fing an zu kurbeln. Er brauchte sich weder besonders kräftig, noch besonders ausdauernd zu bemühen. Irgendwo wurde sein Sender ständig überwacht; die Antwort ließ jedenfalls nicht lange auf sich warten.

1. Kapitel
    Lieutenant Lee Koski klemmte den Stiel seiner Maiskolbenpfeife noch fester zwischen die Zähne, schob seine derben Fäuste noch fünf Zentimeter tiefer in seine pelzbesetzte Windjacke und zitterte trotzdem in der eisigen Kälte. Der einundvierzig Jahre und zwei Monate alte Koski, der schon achtzehn Jahre seines Lebens im Dienst der U.S.-Küstenwache verbracht hatte, war klein, sehr klein, und die schwere, dicke Kleidung ließ ihn fast so breit wie hoch erscheinen. Die blauen Augen unter dem schütteren weizenblonden Haar leuchteten mit einer Kraft, die anscheinend von nichts getrübt werden konnte, ganz gleich, wie er gelaunt war. Er besaß die Selbstsicherheit, die alle Perfektionisten auszeichnet, eine Eigenschaft, die nicht unwesentlich zu seiner Berufung als Kommandant des neuesten Schnellboots der Küstenwache, der
Catawaba,
beigetragen hatte. Er stand auf der Brücke wie ein Kampfhahn, breitbeinig, und dachte nicht im Traum daran, den Koloß von einem Mann, der neben ihm stand, anzusehen, als er mit ihm sprach.
    »Sogar mit Radar werden sie sich schwer tun, uns bei diesem Wetter zu finden.« Der Klang seiner Stimme war ebenso schneidend und durchdringend wie die kalte Atlantikluft. »Die Sichtweite beträgt kaum eine Meile.«
    Langsam und bedächtig warf Lieutenant Amos Dover, der stellvertretende Kommandant auf der
Catawaba,
eine Zigarettenkippe in die Luft und betrachtete mit wissenschaftlichem Interesse, wie der rauchende weiße Stummel vom Wind über die Schiffsbrücke weit hinaus in die bewegte See gerissen wurde.
    »Es würde auch nichts ändern, wenn sie es schafften«, quetschte er undeutlich zwischen den Lippen hervor, die in dem eisigen Wind blau angelaufen waren. »So wie wir hier herumschlingern, müßte der Hubschrauberpilot entweder strohdumm oder stinkbesoffen oder beides sein, wenn er auch nur im entferntesten daran dächte, hier herunterzugehen.« Dabei deutete er mit dem Kinn auf die Landeplattform der
Catawaba,
die von der sprühenden Gischt völlig naß war.
    »Manchen Leuten ist es gleich, wie sie sterben«, sagte Koski ernst.
    »Niemand kann behaupten, sie wären nicht gewarnt worden.« Dover sah nicht nur aus wie ein großer Bär, auch seine Stimme schien tief aus dem Leib zu kommen, so daß sie wie ein Brummen klang. »Ich habe den Hubschrauber benachrichtigt, gleich nachdem er von St. John's abgeflogen war, und ihm mitgeteilt, daß ich ihm wegen des
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