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Eis

Eis

Titel: Eis
Autoren: Erich Kosch
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Bottich, in dem der Vater ein Fußbad nimmt.
    Die Frau hat seinen Worten nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt; sie weiß, daß er das mehr zu sich gesagt hat: so vergeht ihm die Zeit schneller, und so ruht er sich besser aus. Sie stopft Strümpfe, und dann, beim Einfädeln der Nadel, beginnt sie, so nebenbei, selbst zu erzählen, wie die Leute hier in der Straße den ganzen Tag versucht haben, einen Wagen freizubekommen, der gestern nacht vor dem Hause Krekić zugeschneit wurde, als dort die Fete war. „Es muß ein sehr wichtiger Wagen sein, denn sie fummeln immer noch dran ‘rum.“
    Sie zeigte zum Fenster, das schon von Dunkelheit verhangen war, hinaus auf das Ende der Straße, schräg gegenüber, wo gerade der Genosse Tomić, Angestellter des Statistischen Amtes, mit der erfrorenen Hand abwinkte und zu den anderen um ihn her sagte: „Genug für heute! Wir haben ihn auf Planken geschoben, morgen können sie ihn mit einem Traktor abschleppen.“ Die Nachbarn grüßten und gingen in ihre Häuser, und der Genosse Tomić umkreiste noch einmal den Wagen, bevor er das gleiche tat.
    „Endlich!“ begrüßte ihn seine Frau. „Ich dachte schon, du wirst auch noch draußen übernachten. Das Abendessen ist mir schon dreimal kalt geworden.“
    „Aber ich war doch hier, vor dem Haus, beim Wagen. Du konntest mich durchs Fenster sehn. Ich hab nicht im Wirtshaus gegessen.“
    „Was soll das? Fast wär’s mir lieber, du hättest – als dich den ganzen Nachmittag um einen fremden Wagen zu kümmern. Wird der dir ,danke schön’ sagen? Wird er dich jemals im Wagen nach Haus bringen? Er wird morgen an dir vorbeiwetzen, ohne sich umzusehn. Warum sind die Herrschaften Krekić nicht ‘rausgekommen, um zu helfen? Bei ihnen ist er zu Gast gewesen, wegen ihnen ist sein Wagen hier steckengeblieben. Aber die verstehen’s! Die tragen die Nase hoch und schauen mit Verachtung auf dich herab, der du dich mit diesem Wagen abquälst, und morgen machen sie dir vielleicht noch Vorwürfe, daß du nicht mehr getan hast – grad als wenn sie dich bezahlen und du ihnen dienen würdest. Und du –: beamtenhaft, untertänig, unterwürfig … Derart sklavisch unterwürfig, daß du schon gar nichts mehr erwartest. Weder ein freundschaftliches Wort noch gewöhnliche Dankbarkeit oder verdiente Anerkennung. War’s vielleicht nicht genug, daß sie dich gestern nacht aus dem Schlaf geweckt haben und du dich erkältest hast beim Buddeln? Nein, sondern du mußt auch noch nach Feierabend die ganze Zeit an diesem verfluchten Wagen ‘rumfummeln, und sicher werd ich auch diese Nacht zu tun bekommen mit dir, dir den Rücken einreiben und dein Rheuma kurieren …“
    Noch immer sprach sie, wie jede Frau, die nicht weiß, wann der Tag zu Ende und die Geduld des Menschen erschöpft ist. Und er, er faßt sich schon beim Schuhausziehen mit beiden Händen in die Seiten und richtet sich stöhnend auf. Er beschäftigte sich damit, seine Pantoffeln zu suchen, um so einem Streit mit seiner Frau aus dem Wege zu gehn, da sie aber gar nicht enden wollte, wagte er zu bemerken: „Ich hab nicht seinen, sondern einen Wagen des Staates gerettet. Und ich hab mich bei niemandem angebiedert, sondern ich hab nur eine bürgerliche Pflicht getan.“ Mehr zu sagen, schaffte er nicht. Er jammerte laut auf; im Kreuz stach und schnitt es ihn derart, daß er sich auf das Bett setzen mußte.
    Währenddessen sprach gegenüber Frau Krekić, als sie bemerkte, daß Dunkelheit den Wagen, an dem sie den ganzen Tag ‘rumgebuddelt hatten, zu verschütten begann: „Da – sie haben’s nicht fertigbekommen, den Wagen freizuschaufeln, auch nicht die Straße zu säubern. Alles haben sie unfertig stehenlassen, auf halbem Weg. Wenn einer dagewesen war, der ihnen droht und sie anbrüllt, sollst du mal sehn, wie sie fertig geworden wären.“
    Ihr Mann erhob den Kopf von seinem Buch und sah sie mit spitzem, höhnischen Blick an. „Was geht dich das an?“ fragte er. „Soll doch Plećasch seine Plebejerbeine ein wenig bewegen. Der ist sicher an die sieben Kilometer täglich zur Volksschule gewandert. Das hat ihm nichts geschadet, und es wird ihm nichts schaden. Wenn er etwas länger ohne Wagen bliebe, war ihm das nur von Nutzen. Es würde ihn vor Muskelschwund in den Beinen bewahren und die Erhöhung des Blutdrucks und Angina pectoris hinausschieben, die ihm sicherlich drohen.“
    „Entschuldige“, sagte sie, „ich kann fremde Bummelei nicht ruhig mitansehn. Außerdem, wenn der Wagen flott war,
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