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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Peter Schmidt
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physische Überlegenheit in die Wiege gelegt worden war.
Es war aber auch ein erstes Indiz dafür, dass mein Alter unmöglich mein echter Vater
sein konnte – denn eines Tages, als er nackt unter der Dusche stand, entdeckte ich,
dass sein Geschlechtsteil eher einem Zahnstocher glich …
    Im Alter
von neun Jahren begriff ich, dass die Welt ein Schlachthaus ist und viele Schlächter
unerkannt unter uns leben. Die meisten gestehen sich ihre Passion nur nicht ein.
Ich fragte mich, was all die schönen Ermahnungen der Kirche, die Appelle des Papstes
und des Bundespräsidenten bei der Neujahrsansprache wert waren, wenn auch im 20.
Jahrhundert immer noch Millionen Menschen politischer Gewalt zum Opfer fielen.
    Aus diesem
Desaster gab es nur einen Ausweg – nämlich Philosoph oder Psychiater zu werden.
Oder am besten beides? Was denn sonst, wenn man nicht selbst zum Insassen unseres
großen Irrenhauses werden will?
    Pottkämper
hörte sich meine Überlegungen voller skeptischem Wohlwollen an, aber auch mit deutlichen
Zweifeln, ob denn meine Begabung für einen so anspruchsvollen Beruf ausreichen würde.
    » Ein
Psychiater ist ein Mann, der in die Striptease-Show der Folies Bergère geht und
sich die Zuschauer ansieht «, pflegte er einen französischen Spötter zu zitieren.
    Ganz anders
meine Mutter. Der Sommer war der heißeste des Jahrhunderts, und sie stolzierte weiterhin
nackt unter dem Pelzmantel über die grünen Wiesen hinter unserer Villa. Ich glaube,
es verschaffte ihr ein auf andere Weise nicht erreichbares Maß an erotischer Lust,
das kühle glatte Innenfutter des Mantels auf der Haut zu spüren. Es war wie eine
sanfte Massage, eine Streicheln der Natur, das meiner angeblichen Erzeugerin Wolken
von Sexualhormonen entlockte – während ich in der Gabel eines Apfelbaums saß und
amerikanische Philosophen wie Willard Van Orman Quine las.
    »Lass den
Blödsinn«, sagte meine Mutter. »Kümmere dich lieber darum, dass dein Alter nicht
vom Finanzamt erwischt wird. Er hält sich gerade mal wieder für den größten Steuerhinterzieher
des Jahrhunderts.«
    »Steuerhinterzieher
leben doch gar nicht schlecht. Immer noch besser, als wenn er sich für Jackson Pollock
hält. Obwohl wir dann vielleicht seine Bilder an die Pollock-Krasner Foundation in New York verkaufen könnten.«
    »Ist das
ist deine Philosophie? Dafür braucht man kein Studium.«
    Mit diesen
Worten hüpfte sie barfuß und leichtfüßig durch die hohen Wiesen davon, eine Wolke
von Insekten im Schlepptau, die genauso scharf auf ihre Sexualmoleküle waren wie
ich.

4
     
    Es gab nur eine Erholung von den
Leidensausbrüchen meiner Familie: Wenn meine Mutter und meine Schwester für kurze
Spaziergänge das Haus verließen, um »draußen in der Natur« Erleichterung zu finden.
Bei den Blumen und bunten Schmetterlingen, den Gräsern und Samen, den Sonnenuntergängen
und prächtigen Regenbogen. Den Spinnen mit ihren perfekten Netzkonstruktionen. Den
Ameisen, die offenbar sozialer gesinnt sind als wir Menschen. Den Bienen, die arbeiten
und arbeiten bis zum Umfallen, um uns ein halbes Pfund Honig zu schenken.
    Ich war
erleichtert, wenn die beiden endlich für ein paar Stunden aus meinem Blickfeld verschwanden.
Wie die Kroaten sagen:
    » Gehe
hinaus und suche Trost in der Natur, auf dass wir unterdessen deinen Wein trinken. «
    Mein Alter
dagegen klebte an seiner Villa. In den letzten Jahren war er nicht ein einziges
Mal verreist. Für ihn hätte es ausgereicht, wenn der mittlere Erdumfang nicht 40.000
Kilometer betragen hätte, sondern 228 Meter – die genaue Länge unseres Grundstücks.
Er schlurfte immer auf demselben Flecken herum. Rätselhaft, wie bei diesem Marschpensum
überhaupt Löcher in seine Tennissöckchen kamen.
    Es gab ständig
irgendeine neue kostbare chinesische Vase aus der Jin-Dynastie, die er im Haus platzieren
musste und die dann prompt umfiel oder heruntergeworfen wurde. Oder er schleppte
teuere Brokatvorhänge heran oder persische Seidenteppiche, von denen der Quadratmeter
zweitausend Euro kostete. Oder Jade-Figuren und Schnitzereien aus Afrika.
    Besonders
angetan hatte es mir seine Sammlung afrikanischer Kunst im Kaminzimmer, darunter
eine Holzskulptur aus dem Kongo, die einen Mann zeigte, dessen Geschlechtsteil so
groß war, dass er seine Eichel mit den Schneidezähnen festhalten konnte.
    Manchmal
legte Pottkämper senior wie in einem Museum Zettel aus, auf denen die Stücke beschrieben
wurden, vor allem seine Sammelobjekte aus
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