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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Peter Schmidt
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Detekteien einsetzte.
    Unser Anwesen
war auf eine Briefkastenfirma bei Anguilla eingetragen, einem Inselchen aus der
Gruppe der Kleinen Antillen, mit dem Unterschied, dass die Eastern-Rum-Company, anders als ähnlich zwielichtige Adressen, ordentlich ihre Steuern zahlte.
    Zu Weihnachten
kam mein Alter – angeblich im Firmenauftrag, was auch immer das nun wieder bei einem
staatlichen Almosenempfänger bedeuten sollte – mit ein paar Flaschen Karibik-Rum
und einer großen Kiste Zigarren auf die Straße, an der noch der Frachtzettel von Anguilla Wallblake klebte, um sie an Müllmänner und Briefträger zu verteilen.
    Trotz seines
Wohlstands lief er den ganzen Tag in abgetragenen Klamotten herum, am liebsten in
langen Unterhosen, als habe er kein Geld, sich ordentlich anzuziehen. Dazu trug
er diese bescheuerten durchscheinenden Tennissöckchen, die aussahen wie gebrauchte
Pariser.
    Manchmal
lauerten die Detektive der Agentur für Arbeit vor unserer Wohnung, um ihm nachzuweisen,
dass er arbeitsfähig sei und gar nicht zu den Bedürftigen gehöre – weil er über
Einnahmen verfüge, die auf ungeklärte Weise an seinem leer gefegten Bankkonto vorbeiliefen.
Und wenn mein Alter sie vom Nachbarhaus über seine versteckten Videokameras entdeckte,
kam er gern einmal vor die Haustür, streckte erst seinen linken und dann seinen
rechten Fuß mit den armselig aussehenden Söckchen aus, die an mindestens drei Stellen
durchgescheuert waren, und erkundigte sich:
    »Glauben
Sie, dass so ein Mann aussieht, der den Staat betrügt?«

2
     
    Diese Leute konnten unmöglich meine
Eltern sein. Vermutlich waren sie nicht einmal verwandt mit mir. Es gab genügend
Hinweise darauf, dass mit ihnen irgendetwas nicht stimmte.
    Ich hätte
meine Familie gleich mit Strychnin oder Abflussreiniger vergiftet oder in einen
Atomreaktor verbracht und von al-Qaida in die Luft jagen lassen, wäre es
nicht sicher gewesen, dass ich mich danach mit meinen 14 Lenzen in einem Waisenhaus
wiederfinden würde, oder bei einer Gastfamilie, was noch schlimmer ist.
    Da man mich
wegen chronischer Besserwisserei für drei Monate vom Unterricht freigestellt hatte
– mit Auflage des Lehrerkollegiums, ich dürfe in dieser Zeit auf gar keinen Fall
den Stoff des nächsten Schuljahrs durchnehmen –, hockte ich mangels Taschengeld
in meinem Zimmer und war hoffnungslos meiner Familie ausgeliefert. Jeder Art von
Erziehungswillkür. Jeder aufschäumenden Begeisterung über dieses und jenes. Jeder
Empfindlichkeit und kleinen Abneigung unserer beiden Prinzessinnen auf der Erbse.
Jedem Furz, der sich durch ihre Eingeweide quälte …
    Meine Mutter
und meine Schwester Anja beteten nämlich ständig ihre Problemlisten herunter. Und
wenn sie damit fertig waren, fingen sie wieder von vorne an. Sie wussten nicht,
wem sie das alles schon neunhundertneunundneunzigmal erzählt hatten. Eigentlich
gab es dafür nur eine Art von Sühne: die Todesstrafe.
    Manchmal
lag ich auf der Couch und stellte mir vor, was wohl im Innern eines Sterns Typ-II-Supernova mit ihnen geschehen würde. Sie wären auf der Stelle verbrannt. Danach würden ihre
Überreste ins Innere des Schwarzen Lochs gezogen, zu dem der Sternenrest kollabierte,
falls er noch mehr als drei Sonnenmassen besaß. Von dort würde es selbst für sie
kein Entkommen mehr geben.
    Ihre Probleme
waren hauptsächlich von der Art: Werden die Absätze diesen Sommer niedriger oder
höher? Hat George-Bernhard von Monaco ein Verhältnis mit seiner Windhündin? Und
falls ja, hat er sie in der königlichen Garage geschwängert? Wie resistent sind
Windhundbabys gegen menschliche Windpocken? War die linke Brust von Anna Nicole
Smith größer als die rechte?
    Ich versuchte
meine Ohren gegen ihren Stuss undurchlässig zu machen. Manchmal gelang es mir, meinen
Tinnitus so zu verstärken, dass ihre Stimmen verzerrt klangen wie die Geräusche
aus Alexander Graham Bells erstem Telefonapparat. Dann wieder verfiel ich auf die
Idee, sie mit Plasmodium falciparum zu infizieren. Das ist der Erreger der
Malaria. Das Zeug gibt es bei manchen Forschungsinstituten Viertelpfundweise zu
kaufen, wenn man den Absender fälscht und vorgibt, an der Universität zu arbeiten.
Ich stellte mir vor, wie sie sich gegenseitig bei ihren Fieberschüben stützten,
um nicht umzufallen.
    Pottkämper
sen. ahnte wohl, was in meinem Kopf vorging. Manchmal stellte er sich breitbeinig
vor mich hin, die Fäuste in den Hüften, und erklärte mit vielsagendem Grinsen: »Wahrscheinlich
bist
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