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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Peter Schmidt
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geringsten
Plauderei einen Kopf kürzer gemacht hätte?«
    »Hab mir
kürzlich das Jahreskompendium deiner angeblichen Firma von Kapitalismus global besorgt. Umsätze, Auslandsprojekte, Manager von den Anfängen bis zur Gegenwart,
selbst die Schmiergelder sind akribisch aufgeführt. AEG ist definitiv nie in dieser
Region tätig gewesen.«
    »Klugscheißer
…«
    »Ich gebe
nur wieder, was in unabhängigen und öffentlich zugänglichen Kompendien steht.«
    Mein Alter
kratzte sich misslaunig an seinem linken Kunststoffohr, einer täuschend echt aussehenden
Prothese. Es war die pure Hilflosigkeit einem 14-Jährigen gegenüber, der einem intellektuell
in jeder Hinsicht überlegen ist.
    »Supergehirn
überschlägt sich heute mal wieder mit scharfsinnigen Kommentaren, was?«
    Oben knarrte
eine Tür: in diesem Haus immer ein Zeichen dafür, dass wir Zuhörer hatten. »Legt
Einstein wieder goldene Erkenntniseier?«, meldete sich Großmutter vom obersten Treppenabsatz.
    Alte Leute
sind bekanntlich oft schwerhörig, doch die Ohren meiner 92-jährigen Großmutter hätten
durchaus als Bauplan für einen erstklassigen Hi-Fi-Verstärker dienen können. Dass
sie mich Einstein nannte, sprach immerhin für eine gewisse Menschenkenntnis. Ihr
Freund, ein etwas verschnarchter Apotheker im Ruhestand, nannte mich lieber Doktor
Freud – als Hinweis, dass meine Begabung weniger auf physikalischem als auf psychologischem
Gebiet zu finden sei. Mein Erzeuger dagegen zog es vor, mich einfach Klugscheißer
zu nennen.
    »Nein, dein
Enkel Albert findet’s nur gerade mal wieder spannend, meine Lebensgeschichte zu
recherchieren«, sagte mein Alter. »Leg dich wieder hin, Mama. Nachher gibt’s Kaffee
und Kuchen.«
    »Hatten
wir nicht nachmittags schon Kaffee und Kuchen? Bin ich schon so geistesabwesend?
Dann hab ich wohl wieder meine Ginkgo-Pillen vergessen …«
    Großmutter
liebte es, auf beginnenden Alzheimer zu machen, obwohl ihr Verstand schärfer war
als manche Rasierklinge. Sie konnte vierstellige Zahlen im Kopf multiplizieren und
aus dem Stegreif über das Wahrheitsproblem in fiktionaler Literatur referieren.
Auf die Frage nach Wittgensteins Blauem Buch , einem Klassiker der modernen
Philosophie, hätte sie wahrscheinlich geantwortet, sie halte die Behauptung, dass
die Bedeutung eines Wortes sein Gebrauch in der Sprache sei, für ebenso wirren Bullshit
wie den Tractatus logico-philosophicus .
    »Deine Hirndurchblutung
reißt ein riesiges Loch in unsere Hartz-IV-Kasse«, murrte mein Alter.
     
    Pottkämper senior wurde immer von
Ängsten geplagt, er könnte in Armut sterben. Glücklicherweise war Geld nie wirklich
ein Thema für uns.
    Angeblich
bewohnten wir nur den etwas heruntergekommenen Anbau einer Villa aus der Gründerzeit,
die Wohnung des früheren Hausmeisters. Doch in der Zwischenetage gab es einen Durchgang,
zu dem mein Alter den Schlüssel besaß, um nebenan gelegentlich für ein »kleines
Trinkgeld« nach dem Rechten zu sehen.
    Deshalb
benutzte er durchaus auch den Haupteingang – erhobenen Hauptes und als ein Mann,
der schließlich im Auftrag handelte.
    Aber manchmal
genoss er es auch, sich zu verstellen, klingelte demonstrativ an der Pforte, trat
drei oder vier Schritte zurück und blickte fragend an der Fassade hoch, als warte
er darauf, dass der rechtmäßige Besitzer ihm öffnete. Und wenn er sich danach wieder
der Haustür zuwandte und sie geschickt mit dem in seiner Hand palmierten Schlüssel
aufschloss, dann mochte es für einen vorüberkommenden Passanten durchaus so scheinen,
als sei er eingelassen worden …
    Hatte man
erst einmal unsere armselige Wohnung durch die Glastür in der Zwischenetage verlassen
– Räume auf Sozialhilfeniveau, um die städtischen Kontrolleure hinters Licht zu
führen –, gelangte man nach wenigen Schritten in eine beachtliche Villa aus weißem
Klinkerstein und Carrara-Marmor.
    Es war wie
in den albernen Harry-Potter-Filmen. Plötzlich befand man sich in einer anderen
Welt. Nur ein paar Meter trennten diese beiden Universen voneinander, aber sie glichen
einander so wenig, dass man sich ernsthaft fragte, ob wohl zwölf mal zwölf auf der
anderen Seite der Hauswand auch 144 ergeben würde.
    Es gab einen
Whirlpool im verglasten Badehaus, Sonnenterrassen mit Gartenbar und geblümten Hollywoodschaukeln,
und – nicht zu vergessen – den Zwinger, in dem zwei aggressive Bullterrier untergebracht
waren, die mein Vater gern gegen lästige Besucher wie Gläubiger und Mitarbeiter
internationaler
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