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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück
Autoren: Claudia Carroll
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davorstehe.
    Bestimmt hat James etwas durcheinandergebracht. Er hat ja gerade erst den Magen ausgepumpt bekommen, da ist es kein Wunder, wenn man was nicht richtig mitkriegt. Die ganzen Beruhigungsmittel und so weiter. Natürlich bin ich tot. Klare Sache. Ich bin ein Engel, Herrgott nochmal, oder etwa nicht? Langsam gehen die Aufzugtüren auf, und ich steige ein. Die Kabine ist gerappelt voll, aber niemand nimmt Blickkontakt mit mir auf.
    »Entschuldigung, kann mich hier vielleicht jemand sehen?«, rufe ich laut in die Stille. Aber erst, als das Handy einer alten Dame losgeht und sie lauthals ein Telefongespräch zu führen beginnt, zeigen die Umstehenden eine Reaktion. Sogar ein Typ, der einen iPod auf höchster Lautstärke laufen hat, verzieht gequält das Gesicht.
    » HALLO ?«, schreit die Frau. » JA, LIEBES, ICH HAB EINEN PARKPLATZ. WAS? KANNST DU BITTE ETWAS LAUTER SPRECHEN? ICH STEH GERADE IM AUFZUG. ICH BIN UNTERWEGS. ICH HAB GESAGT, ICH BIN UNTERWEGS !«
    Die Türen gehen wieder auf, und wir sind im dritten Stock. Und da ist ein Schild, direkt über meinem Kopf.
    INTENSIVSTATION .
    Nur kann ich leider die Tür nicht öffnen. Ungeduldig warte ich, bis ein Pfleger mit einem leeren Rollwagen herauskommt. Dann schlüpfe ich schnell hinein, eile den langen Korridor hinunter und spähe in jede offene Tür, immer auf der Suche nach …
    Ach, das ist doch lächerlich. Auf der Suche nach mir selbst? Wenn ich nicht so traumatisiert wäre, würde ich lachen. Ich weiß doch, dass James starke Medikamente kriegt und bestimmt alles falsch verstanden hat. Aber ich möchte gern eine Bestätigung dafür!
    Vor dem Schwesternzimmer mache ich kurz halt, und da sehe ich sie auf mich zukommen.
    Mum und Kate.
    Kate hat einen Stapel CD s bei sich, und Mum balanciert in jeder Hand einen Becher Tee.
    Okay, ich fürchte, ich werde ohnmächtig.
    Ich stelle mich direkt vor sie und rufe ihre Namen, aber sie gehen einfach an mir vorbei, ohne auch nur eine Sekunde in ihrer Unterhaltung zu pausieren.
    »Du siehst heute wirklich sehr müde aus, Liebes«, sagt Mum gerade. »Du hättest dich ausschlafen sollen. Ich hätte es auch allein ins Krankenhaus geschafft. Inzwischen hab ich ja Übung.«
    »Nein, nein, das ist schon in Ordnung«, seufzt Kate, aber sie klingt erschöpft. »Es gefällt mir nicht, wenn du sie alleine besuchst. Ich finde, es sollte jemand bei dir sein.«
    »Wie war es denn gestern Abend mit Pauls Familie? Hast du ihnen von der Messe für Charlotte erzählt?«
    »Äh … nein, dazu bin ich nicht gekommen. Sie waren auf diesem Konzert, und ich hab den Babysitter gespielt.«
    »Ist alles in Ordnung bei euch, Liebes?«
    »Ja, ja, alles bestens«, antwortet Kate forsch, in dem leicht gereizten Ton, den sie kriegt, wenn sie über etwas nicht reden möchte. »Gestern Abend war … ach, weißt du, das ist alles total unwichtig. Gehen wir rein.«
    Wie betäubt folge ich den beiden.
    Sie öffnen die Tür von Zimmer 201 , gehen hinein – und da liege ich. In echt. Auf einem Bett, mit einem Beatmungsgerät über dem Gesicht, einem Bein in Gips, den Kopf mit Verbänden umwickelt. Überall habe ich Kratzer und Schrammen, teilweise genäht. An einer Schläfe entdecke ich sogar eine Art Schraube.
    Ich sehe aus wie Frankensteins Monster.
    Aber Mum und Kate zucken nicht mit der Wimper. Anscheinend sind sie von Gott weiß wie vielen Besuchen inzwischen an meinen Anblick gewöhnt.
    Kate legt eine CD auf, den Soundtrack des ersten
Sex and the City
-Films, und Mum beginnt mit mir zu reden und meine Hände zu massieren, als wäre alles ganz normal. Ich bin völlig baff, stehe am Fußende meines Betts und kann nur staunen.
    Ich habe alles missverstanden: Wenn die Leute über mich in der Gegenwartsform gesprochen haben, dachte ich, sie könnten nicht akzeptieren, dass ich tot bin. Und wenn sie bedrückt und durcheinander waren, habe ich es als Trauer über meinen vermeintlichen Tod interpretiert … Dabei habe ich die ganze Zeit über hier gelegen, und sie wussten einfach nicht, ob ich jemals wieder aufwache. Ich bin so ein Idiot.
    »Na, Liebes, wie geht es dir denn heute?«, fragt Mum fröhlich. »Fiona hat angerufen und gesagt, dass sie heute Nachmittag nach der Schule vorbeischauen will. Und dass sie schon die ganze Woche über ganz komisch von dir träumt.«
    »Das ist ja seltsam«, schaltet Kate sich ein und klickt auf den CD -Player. »Ich nämlich auch.«
    Genau in dem Moment, als »How Can You Mend a Broken Heart?« von Al Green und
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