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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück
Autoren: Claudia Carroll
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und ich konnte einfach nicht sehen, was alle um mich herum gesehen haben. Die ganze Zeit … die ganze Zeit habe ich gedacht … du wärst maßgeschneidert für mich, während ich für dich bestenfalls … Topshop-Qualität hatte. Ich hab alles an dir geliebt, aber für dich war ich immer nur … na ja, so eine Art Discounter-Version deiner Traumfrau.«
    »Ach, ich liebe deine schiefen Metaphern.«
    »Im Grunde will ich nur sagen, für den Teil, den ich dazu beigetragen habe, dass du jetzt hier liegst …« Ich blicke in dem Kabuff umher, zu den Maschinen, an die er angeschlossen ist, zu ihm in seinem jämmerlichen Zustand. »Es tut mir leid.«
    »Doktor Walsh sagt, Sie können jetzt einen Tee und eine Scheibe trockenen Toast haben«, ertönt eine Stimme. Im nächsten Moment zieht eine Schwester energisch den Vorhang zurück, und ein Lichtstrahl fällt aufs Bett. »Haben Sie eigentlich gemerkt, dass Sie dauernd mit sich selbst reden?«
    »Die ersten Anzeichen des Wahnsinns«, meint James mit einem schiefen Grinsen. Offenbar funktioniert sein Flirtgen also auch schon wieder. Sicher ein gutes Zeichen. Aber was noch besser ist: Sein Verhalten stört mich nicht mehr halb so sehr wie früher! Anscheinend komme ich allmählich über ihn hinweg. Okay, es hat lange gedauert, aber besser spät als nie.
    Die Schwester verschwindet, und James lässt sich aufs Kissen zurücksinken. Er ist immer noch sehr blass. »Der größte Augenöffner für mich war«, flüstert er, »dass es mir so mies ging und keiner bereit war, mir zu helfen. Niemand. So einsam habe ich mich noch nie gefühlt. Und dann das hier …« Er bricht ab und blickt sich vielsagend in seinem kleinen Kabuff um. »Plötzlich ist mir bewusst geworden, dass keiner von all den vielen Leuten, die angeblich meine Freunde sind, auch nur einen Finger für mich krummmachen würde. Keine schöne Erfahrung, wenn man damit in meinem Alter konfrontiert ist. Ich hab hier gelegen und mir überlegt, welchen Hebel ich bedienen könnte, um einfach im Boden zu versinken.«
    »Na ja, es gibt wahrscheinlich kaum einen lauteren Weckruf als das, was dir passiert ist. Vielleicht ist es Zeit für dich, dass du Brücken zu deinen Mitmenschen baust. Weißt du was, ich glaube, du solltest eine Karmaliste aufstellen.«
    »Eine was?«
    »Na, du weißt schon, eine Karmaliste. Da schreibt man die Namen all der Menschen auf, denen man Unrecht getan oder die man irgendwie schlecht behandelt hat, und dann überlegt man, wie man es wiedergutmachen kann. Stell dir all die Leute vor, die du angerufen hast, um sie um Geld zu bitten, und die dich haben abblitzen lassen. Dann denk dir aus, wie du Wiedergutmachung leisten kannst.«
    »Soll das ein Witz sein? Warum sollte ich bei dieser Truppe von Mistkerlen auch noch etwas gutzumachen haben?«
    »Nein, nein, mit dieser Einstellung kommst du nicht weit. Zum Beispiel hast du doch Matthew, deinen Bruder, angerufen, der dir auch nicht helfen wollte. Da musst du dich jetzt fragen, warum, und die Sache ins Reine bringen. Er ist dein einziger Bruder, und kein Streit ist es wert, dass man sich deswegen mit seiner Familie entzweit. Warum hast du dich eigentlich mit ihm überworfen?«
    »Deinetwegen.«
    Mir bleibt für einen Moment die Luft weg.
    »Es war an diesem einen Weihnachten, da hat er mich total angemacht, weil ich dich seiner Meinung nach nicht gut behandelt hatte. Wir waren zu Besuch bei meinen Eltern und hatten uns gestritten …«
    »Stopp!« Wenn ich daran denke, was ich mir alles habe gefallen lassen, wird mir ganz anders. An diesen Streit erinnere ich mich noch gut: Es war an Heiligabend, und James kam einfach nicht nach Hause, obwohl ich ein Essen vorbereitet hatte, für ihn, Mum, Kate und Paul. Der Plan war, dass wir zusammen essen und dann gemeinsam zum Mitternachtsgottesdienst gehen wollten. James hat uns nicht nur alle versetzt, er hat mir obendrein noch eine Lügengeschichte aufgetischt, er hätte bei einem Freund auf dem Sofa übernachtet, und sein Handy hätte schlappgemacht und so weiter und so fort. Unser Streit dauerte bis Neujahr, wenn ich mich recht erinnere, und es war eine grauenhafte Zeit. Toll, dass Matthew sich für mich eingesetzt hat. Aber es ist wirklich eine Schande, dass ich nicht den Mumm hatte, mich selbst um mich zu kümmern, als ich noch am Leben war.
    »Ich war echt kein besonders guter Partner, oder?«, meint James, als hätte er meine Gedanken gelesen.
    »Aber es ist noch nicht zu spät. Du kannst das alles
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