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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück
Autoren: Claudia Carroll
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laufen mindestens zwanzig Gespräche auf einmal.
    Und dann sehe ich James. In einem Bett direkt neben der Tür, an einen ziemlich respekteinflößenden Monitor angeschlossen. Mein Exfreund sieht blass, erschöpft und schwach aus. Der einzige Patient auf der Station, der ganz allein ist, ohne einen Besucher.
    »Hi«, sage ich leise, denn ich möchte ihn nicht erschrecken. Er schlägt die Augen auf. »Keine Sorge, ich will dir keine Moralpredigt halten«, sage ich freundlich und setze mich auf die Bettkante. »Heute ausnahmsweise mal nicht.«
    Seine Augen huschen suchend umher. Aber sie haben jedes Leuchten verloren. James sieht aus wie der Schatten des Mannes, den ich einmal gekannt und geliebt habe.
    »Drogen«, murmelt er, und seine Stimme ist so leise, dass ich die Ohren spitzen muss, um ihn zu verstehen. »Die müssen mich auf irgendwelche Drogen gesetzt haben. Superqualität übrigens. Das ist die einzige Erklärung für die Stimme in meinem Kopf, Charlotte. Diesmal kann es nicht der Alkohol sein.«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Ich fürchte, wenn die Ärzte mitkriegen, dass ich mit mir selbst spreche, stecken sie mich in die Psychiatrie.«
    »Red keinen Unsinn.«
    »Die haben mir gerade den Magen ausgepumpt. Möchtest du Einzelheiten wissen? Am liebsten wäre ich aufgestanden und abgehauen.«
    »Oh, du machst schon wieder Witze! Ein bisschen lahm zwar, aber es ist trotzdem ein gutes Zeichen. Es geht bergauf.«
    Erschöpft lässt er sich aufs Kissen zurücksinken.
    »Wann lassen sie dich wieder heim?«
    »In ein paar Stunden, hoffe ich.«
    »Wie bitte? Du bist doch viel zu schwach! Schau dir doch an, in welchem Zustand du dich befindest.«
    »Ist schon okay. Sophie holt mich ab. Und sie bleibt dann ein bisschen bei mir und behält mich im Auge. Sorgt dafür, dass ich so was nicht noch mal versuche.«
    Schuldgefühle überschwemmen mich. Sophie. Über die ich all dieses fiese Zeug geredet habe. Ich meine, klar, sie hat mir meinen Freund ausgespannt, aber sie hat James auch das Leben gerettet. Sie war für ihn mehr Schutzengel als ich. Wachen und weisen, lenken und leiten, das war das Motto meines Auftrags, den ich total vermasselt habe, wie ich überhaupt alles vermassle, und wenn Sophie nicht gewesen wäre …
    »James …« Ich suche nach den richtigen Worten. Aber die direkte Methode ist die beste. »James, ich möchte mich bei dir entschuldigen«, sage ich deshalb.
    »Die Stimme in meinem Kopf entschuldigt sich bei mir? Bitte verlang nicht von mir, dass ich etwas dazu sage. Sonst stecken die mich tatsächlich in eine Zwangsjacke.«
    »Bitte unterbrich mich nicht, sonst schaffe ich das nie. Als mir klargeworden ist, dass du mich hören kannst, habe ich mich nach Kräften bemüht, dir das Leben zur Hölle zu machen, aber das hätte ich nicht tun sollen. Meiner Meinung nach warst du für meinen Unfall verantwortlich, und ich …« Auf einmal habe ich Reginas Satz im Kopf. »… ich war so blind vor Wut, dass ich dich auch leiden sehen wollte. Ich wollte es dir heimzahlen. Du warst nicht gerade der Freund des Jahres, um es mal vorsichtig auszudrücken, und ich dachte, das ist meine Chance, mich an dir zu rächen.«
    »Charlotte …«
    »Nein, lass mich ausreden. Dann hattest du dieses Treffen mit William Eames.«
    »Erinner mich bloß nicht daran, sonst muss ich mir den Magen gleich noch mal auspumpen lassen.«
    »Ich hab das Meeting für dich versaut. Ich meine, okay, deine Idee war echt besch- … sorry, ich fange schon wieder an, dich zu beurteilen. Also, noch mal von vorn. Mir hat deine Idee nicht gefallen, aber ich hätte dich deswegen nicht so rundmachen müssen. Es wäre nicht nötig gewesen, dich als sabbernden Idioten vorzuführen.«
    »Hab ich mich wirklich benommen wie ein sabbernder Idiot?«
    »Schlimmer. Und gestern Abend hab ich dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt. Du warst am Nullpunkt, und was hab ich gemacht? Ich hab Gott gespielt. Ich hab dir erklärt, dass du an allem selbst schuld bist.«
    »In gewisser Weise bin ich das ja auch.«
    »Aber ich hatte nicht das Recht, dich damit zu quälen. Dich um ein Haar in den … in den Selbst-« Ich bringe das Wort nicht über die Lippen. Also schlage ich einen anderen Kurs ein. »Es ist nämlich so, James, dass mir in letzter Zeit eine ganze Menge klargeworden ist. Okay, du hast mich nicht besonders gut behandelt, aber ich habe begriffen, dass es allein meine Verantwortung war, bei dir zu bleiben oder dich zu verlassen. Ich hab dich zu sehr geliebt,
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