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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren
Autoren: Fabio Volo
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sich an alles. An eine Arbeit, die einem keinen Spaß macht, an eine Liebe, die erloschen ist, an die eigene Mittelmäßigkeit.
    Nur in Liebschaften habe ich mich immer Hals über Kopf gestürzt und fest daran geglaubt. Wenn ich einer Frau begegnete, die mir gefiel, gab ich Vollgas, denn meine Verteidigungsstrategie bestand nicht in Verzicht, sondern eher in oberflächlichen Gefühlsregungen, besser gesagt im Aufsetzen einer Maske. Ich erfand eine Rolle, in die ich in der Kennenlernphase schlüpfte, so dass ich selbst im Verborgenen bleiben konnte, weitab von jeglicher Gefahr.
    Das erste Mal, als ich Francesca sah, zum Beispiel: Ich war in eine Bar gegangen, um zu frühstücken. Sie arbeitete dort.
    Wir ahnten noch nicht, dass jener Augenblick der Grundstein für eine Liebe sein würde, die unser Leben verändern sollte und die uns noch heute miteinander verbindet.
    Anders als bei vielen anderen Liebesgeschichten war dieser Augenblick in keiner Weise besonders, im Gegenteil, wir nahmen uns gar nicht zur Kenntnis. Kein Blitz aus heiterem Himmel, kein verschwörerischer oder einvernehmlicher Blick. Stattdessen simple Marktmechanismen. Angebot und Nachfrage.
    »Was darf es sein?«
    »Einen Filterkaffee und ein Hörnchen, bitte.«
    Erst nachdem ich mehrfach in der Bar eingekehrt war, nahm ich Francesca wirklich wahr. Im Grunde sah ich sie erst da zum ersten Mal und wurde neugierig. Ich saß auf dem Stuhl und trank meinen Kaffee, während sie draußen eine Zigarette rauchte. Ich betrachtete sie durch das Fenster, ihr Blick verlor sich in der Ferne. Der Blick einer Frau, die schon lange angeödet ist. Regungslos. Immer, wenn ich jemanden beobachtete, ließ ich vor meinem inneren Auge einen ganzen Film ablaufen: was derjenige wohl dachte, wie er lebte; vor allem aber versuchte ich herauszufinden, ob er glücklich war. Ob es tatsächlich einen Menschen gab, in dessen Leben dieses berühmte Glück existierte. Francesca wirkte auf mich wie jemand, der eine Zeitlang alles von sich fernhalten wollte. So eine Lebensphase, in der man sich schlicht eine Verschnaufpause wünscht, ein Break, einen Augenblick des Friedens, um auszuruhen.
    Doch obwohl alles in ihr so verblasst wirkte, sie keine faszinierenden Gesten machte oder auffällige Kleidung trug, konnte ich den Blick nicht von ihr wenden. Ihre Gestalt hatte etwas Magnetisches; was, fand ich nicht heraus, aber sie zog mich an. Etwas Außergewöhnliches, das befreit werden musste. Ich, der im Käfig Gefangene, wollte hingehen und die Leute befreien. Vielleicht war es ein Automatismus. Da ich mich nicht selbst befreien konnte, versuchte ich die anderen zu befreien, nur dass mir das geeignete Handwerkszeug dazu fehlte.
    Dennoch gab es mit Sicherheit etwas, was sie daran hinderte, ihre Gefühle zu zeigen. Plötzlich dachte ich, ich müsse zu ihr gehen.
    Ich bezahlte und verließ die Bar.
    Als ich vor ihr stand, sahen wir uns an, und sie bedachte mich mit einem leeren, professionellen Lächeln. Ich musterte sie ein paar Sekunden lang und fragte dann, um der Peinlichkeit zu entkommen, nach einer Zigarette, obwohl ich zu der Zeit schon gar nicht mehr rauchte. Sie öffnete die Schachtel und hielt sie mir hin. Ohne Freundlichkeit, ohne einen Blick. Nichts. Alles sehr kalt. Ich ging weg, machte dann aber kehrt. Ich konnte ihr nicht sagen, was ich dachte, also fragte ich, ob sie auch Feuer habe. Sie gab mir Feuer. Damals rauchte ich schon zwei Jahre nicht mehr. Ich bedankte mich und starrte sie erneut an wie ein Trottel, dann ging ich fort.
    Ich erinnere mich, dass ich auf dem Nachhauseweg traurig war. Ihre Gleichgültigkeit hatte mich ein bisschen verletzt.
    Als ich nach Hause kam, konnte ich nicht aufhören, an sie zu denken. Das nervte vielleicht!
    »Was hat diese Frau in meinem Kopf verloren? Das passt mir jetzt aber gar nicht.«
    Ich ging noch oft in die Bar, versuchte aber, möglichst nicht aufzufallen. Ehrlich gesagt bestand da eigentlich keine Gefahr, denn sie beachtete mich gar nicht, man könnte sagen, in ihren Augen war ich Luft. Hätte ich mich nackt an die Theke gestellt und einen Espresso verlangt, hätte sie mich wohl gefragt, ob ich ihn normal oder macchiato wolle. Sonst nichts.
    Eines Tages entschied ich mich dann zum Angriff. Ich begann, ihr Zettelchen hinter den Scheibenwischer zu klemmen. Die waren wenigstens nicht durchsichtig. Gedichte, Gedanken, von mir notierte Sätze. Sogar eine Einkaufsliste hinterließ ich, zusammen mit der Anmerkung, dass ich gern gemeinsam mit
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